Kreuzfeuer
und plötzlich setzte ein verbissenes Tauziehen ein.
»Hier lang«, rief Ingild.
»Nein, du Narr, nach links!«
Auf einmal fiel beiden gleichzeitig ein, wer sie eigentlich waren. Nervöse Blicke irrten durch die Kapelle. Theodomir räusperte sich.
»Entschuldige bitte, mein Bruder, aber auf Sanctus wird das Buch nach links gelegt.«
»Gehört das zu unseren Abmachungen?« erkundigte sich Ingild misstrauisch.
Theodomir bremste seine Ungeduld. »Es spielt aber keine Rolle«, sagte er mit einiger Überwindung. »Im Geiste der Ökumene kannst du es hinlegen, wo du willst.«
Ingild verneigte sich vor Theodomir und schob das Buch nach rechts. Er freute sich über den kleinen Sieg.
Dann gingen sie rasch zum letzten Teil der Zeremonie über: die Segnung und Verkostung des Weins. Der goldene Weinkelch war in einem kleinen Tabernakel mit einem schrägen Dach untergebracht. Sie öffneten die winzigen Türen, zogen ihn heraus und intonierten dann schnell die letzten Gebete.
Theodomir schob Ingild das Gefäß zu. »Du zuerst, Bruder«, forderte er ihn auf.
Ingild warf ihm plötzlich einen misstrauischen Blick zu. Er zögerte einen Moment und schüttelte dann den Kopf.
»Nein«, sagte er. »Du zuerst.«
Theodomir packte den Kelch ungeduldig und trank ungefähr die Hälfte des Inhalts auf nicht gerade sehr prophetenhafte Weise.
Dann schob er den Kelch wieder zu Ingild.
»Jetzt du«, herrschte er ihn an.
Ingild nahm das Gefäß nur zögernd entgegen. Er hob es an die Lippen und nippte vorsichtig am Messwein. Er schmeckte sehr gut. Also trank er den Rest mit einem Schluck aus und stellte den Pokal vorsichtig auf den Altar zurück.
»Es ist vollbracht«, sagte er. »Jetzt sollten wir diese Dokumente …«
Er musste husten. Zunächst nur ganz wenig. Dann immer heftiger, ein wahrer Hustenanfall. Sein Gesicht lief violett an, er hielt sich die Seiten und fing plötzlich laut vor Schmerzen zu schreien an.
»Du Narr, du alter Narr«, kicherte Theodomir. »Der Wein war vergiftet.«
»Aber … aber …«, presste Ingild mit schmerzverzerrtem Gesicht hervor, »du … du hast doch auch davon getrunken!«
Er brach zusammen und wand sich im Todeskampf auf dem Fußboden. Blut aus der zerbissenen Zunge quoll zwischen den Lippen hervor.
Theodomir fing an, um ihn herumzutanzen; ihn zu treten; ihn anzuschreien.
»Der Wein war rein! Rein für mich – aber nicht für einen Drogenkranken! Nicht für einen Süchtigen!«
Ingild versuchte noch einmal auf die Knie zu kommen.
Theodomir stieß ihn mit dem Stiefel wieder um.
»Na, wer ist jetzt der Wahre Prophet, du Saukerl? Wer ist jetzt der Wahre Prophet?«
Beim Anblick von Ingilds Todestanz konnte sich Parral vor Lachen kaum im Sessel halten.
Dann schaltete er den Monitor aus. Es war vollbracht. Ja, tatsächlich, es war vollbracht.
Einen Augenblick lang wünschte er, Sten würde vor ihm sitzen. Der junge Colonel hätte sicherlich seine helle Freude an Parrals Plan gehabt. Einen Krieg kann man auf viele verschiedene Arten gewinnen.
Und dann setzte sein Herz plötzlich einen Schlag aus, und er duckte sich unwillkürlich, als Raketen über sein Anwesen hinwegdonnerten und sein Palast vom Knall der Schallwellen erschüttert wurde.
Kapitel 44
»Großer Gott, Colonel«, sagte Ffillips trocken. »Die Schurken sind bewaffnet.« Die Frau machte einen völlig gelassenen Eindruck, während die Söldner und die Gefährten ihre Kampfpositionen einnahmen.
Die Bhor, die inzwischen das kommerzielle Potential ihrer Unterstützung für Sten erkannt hatten, waren nur zu gern bereit, bei der Landung auf Nebta mitzuhelfen. Sie hatten über Nebtas Hauptstadt genug Radarstörmittel und Ablenkungsraketen gezündet, dass sie damit sogar einen Monitor des Imperialen Sicherheitssystems verwirrt hätten.
Kurz darauf waren die Bhor-Transporter in den Außenbezirken der Hauptstadt niedergegangen. Sten hatte den Eindruck, dass die Bhor-Piloten absichtlich versuchten, soviel Monumente, Villen und Denkmäler wie möglich zu zerstören.
Wenigstens diesmal war ihm eine Invasion ohne Verluste gelungen, wie Sten erleichtert feststellte – bis auf einen von Vosberhs Männern, der es geschafft hatte, sich bis obenhin mit Stregg vollzuknallen und dann kopfüber von der Landerampe zu stürzen.
Die dreihundert Soldaten stellten sich rasch in Gefechtsformation auf und marschierten auf Parrals Anwesen zu. Als das Dröhnen und Quietschen gepanzerter Kettenfahrzeuge ertönte, erkannte Sten, dass Parral
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