Kreuzfeuer
überflüssig.
›Allerdings‹, versuchte er sich zu trösten, ›wird dieser versoffene Tattergreis Theodomir nicht sehr lange die Fäden in der Hand behalten. Früher oder später braucht er Geld, die Hilfe eines Experten und jemanden, der länger als zwei Stunden hintereinander nüchtern bleiben kann.‹ Parrals Anwesen, ja Nebta als Ganzes konnten wieder aufgebaut werden.
Der letzte Diener verstaute die letzten Gemälde, und Parral lief eilig die Rampe hinauf. Er hörte das Gewehrfeuer immer näher kommen. Na und? Sollten sie den Palast doch plündern. Als sich die Luke hinter ihm schloss, dachte er einen winzigen Augenblick mit Bedauern an seine Schwester Sofia, die vor wenigen Stunden spurlos verschwunden war. Doch dann zuckte er die Schultern.
Vielleicht ist sie ja der Ansicht, dass sie mit ihrem Bettgenossen Sten besser fährt als mit ihrem eigenen Bruder.
Parral begab sich auf die Brücke. Der Pilot hielt das Schiff schon seit einer Stunde in Startbereitschaft; sie konnten innerhalb von dreißig Sekunden abheben. Parral ließ sich in die Beschleunigungscouch sinken, und der Pilot aktivierte den Countdown.
Draußen ließ der Ausstoß des Yukawa-Triebwerks die Luft flimmern; die sorgfältig angelegten Gärten verwitterten und starben ab.
Noch fünf Sekunden bis zum Start …
»Talamein ist uns wohlgesonnen«, intonierte Mathias, als er sein Helmvisier auf Parrals Anwesen scharfstellte. »Wir allein sind von Talamein für diese Aufgabe auserwählt worden.« Seine Finger lagen auf den Feuerknöpfen.
Mathias und zehn seiner Gefährten hatten die Abschussrampe für Boden-Luft-Raketen in aller Eile auf der Straße hinter Parrals Villa aufgestellt. Mathias klappte das Visier des Helms vollständig herunter und machte die eingeschränkte Doppelsicht der Rakete zu seiner eigenen Perspektive; aus den »Augenwinkeln« nahm er die Ränder des Abschußrohrs wahr, dahinter und in der Bildmitte sah er die von der Hitzewelle geschüttelten Bäume in Parrals Garten. »Ich hab’s«, bestätigte er.
Seine Hände legten sich um die beiden Joysticks der Kontrollkonsole. »Abschuss nach Befehlssequenz.«
»Alles bereit«, meldete einer der Gefährten.
»Alle Systeme auf Stand-by Alle Systeme feuerbereit.«
Mathias spürte die Erschütterung, als Parrals Schiff in tausend Metern Entfernung vom Boden abhob. Er drückte zu früh auf den Feuerknopf oben auf dem Joystick, und plötzlich verzerrte sich seine Sicht wie bei einem Froschauge. Die Rakete rauschte aus dem Rohr und stieg fünfzig Meter in die Atmosphäre hinauf.
Mathias ließ den anderen Daumen auf dem Steuerungsknopf des zweiten Joysticks. Der Knopf auf dem ersten Joystick wurde jetzt automatisch zum manuellen Auslöser.
Mathias brachte seine Rakete in eine Kreisbahn und wartete, bis Parrals Schiff sich ein gutes Stück vom Boden gelöst hatte. Als der schlanke Torpedo wieder herumschwenkte, lagen die Sensoren der Rakete auf Infrarotsicht.
»Normalsicht«, blaffte er. Ein Gefährte legte den Schalter auf der Konsole um, und die Rakete beschleunigte jaulend auf Mach 8. Jetzt hatte sie die Schnauze von Parrals Schiff, das beständig an Höhe gewann, genau im Fadenkreuz. Der graue Stahl raste auf Mathias’ »Augen« zu, bis außer dem Hitzeflimmern und den metallischen Reflexionen nichts mehr zu sehen war, und dann wurde es ihm schwarz vor den Augen.
Mathias riss sich den Helm vom Kopf; gerade noch rechtzeitig, um mitanzusehen, wie sich am Bug von Parrals Schiff eine feurige Explosion ausbreitete, die Treibstofftanks erfasste und das ganze Schiff in eine brennende Zigarre verwandelte, von der abgesprengte Teile wie in Zeitlupe brennend zur Erde fielen.
Als sich Mathias aus dem Kommandosessel gleiten ließ, brachen seihe Gefährten in lauten Jubel aus. Mathias selbst erlaubte sich ein befreiendes Lachen, dann wurde sein Gesichtsausdruck sofort wieder ernst.
»Nicht ich habe das vollbracht«, sagte er, und der Jubel verstummte sofort. »Es war Talamein. Ich fühle mich sehr geehrt, dass Talamein mich zu seinem Werkzeug der Rache auserwählt hat, ein Werkzeug für den neuen Anfang, der den Glauben wieder in das feuergestählte Schwert verwandeln wird, so wie es der Erste Prophet vorgesehen hat. Es ist erst der Anfang, und dafür sollten wir alle unseren Dank sagen.«
Deshalb fanden Sten und Alex, als sie durch die Büsche kamen, zehn Männer auf den Knien vor, die – wie es aussah – eine leergeschossene tragbare Abschussrampe für Kurzstreckenraketen
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