Kreuzfeuer
noch eine zweite Verteidigungslinie aufgebaut hatte. Jetzt hieß es Mensch gegen Panzer – ein Panikfaktor für jeden unerfahrenen Soldaten, aber für diese hervorragend ausgebildeten Männer und Frauen? Sten versuchte sich daran zu erinnern, wo er diese schon einige Jahrhunderte alte Illu gesehen hatte, auf der zwei Soldaten abgebildet waren, die einen Panzer anstarrten. Einer von ihnen meinte dazu: »Nö, das is’ nix für mich. Ein Schützenloch, das sich bewegt, is’ viel zu auffällig.« Sten drehte sich zu dem grinsenden Alex um.
»Verdammt noch mal«, berichtete Alex. »Parrals Truppen haben an die fünfzig Panzer und zwanzig oder so gepanzerte Kampffahrzeuge. Sollen wir uns ergeben?«
»Versuch bitte, ihnen nicht allzu weh zu tun«, lautete Stens einziger Kommentar.
Die Schlacht um Nebta – die erste und wahrscheinlich auch einzige – dauerte schon knapp eine Stunde, als die Panzer in Keilformation zum Angriff übergingen.
Alex packte einen normalerweise von einer ganzen Mannschaft bedienten, mehrschüssigen Raketenwerfer mit Zielsuchautomatik und schleppte ihn nach vorne, bis ihn die Spitze der Panzerformation fast überrollte. Dann drückte er den Abzug. Die kleinen Raketen fauchten aus ihren Rohren heraus, warfen ihre Luftdruck-Abschußstufen ab, stellten sich auf ihre Ziele ein und gingen auf die Jagd. Fünf Raketen trafen prompt auf fünf verschiedene Panzer und verwandelten sie in Feuerbälle. Die sechste hatte aus Gründen, die wohl nur ihrem idiotischen Mini-Computergehirn bekannt waren, beschlossen, dass die Statue von einem von Parrals Vorfahren ein lohnenderes Ziel sei, und das Monument ausradiert.
Die gepanzerten Fahrzeuge waren von einem zwei Meter hohen, rasch zusammengezogenen Maschendrahtgitter aufgehalten worden. Sie stießen gegen den Draht und kurvten dann ziellos hin und her, während ihre nur schlecht ausgebildeten Fahrer mit der Steuerung kämpften, bis sie in aller Ruhe von Stens Scharfschützen ausgeschaltet wurden.
Die beiden Kommandopanzer hielten einige Minuten länger stand – so lange, bis es den zehn verbliebenen Oberschülern gelungen war, die Verbindung zwischen ihnen auszuschalten und Sten mit drei seiner Männer von hinten heranschlich, von wo aus sie aus nächster Nähe einige Raketen auf die ungepanzerten rückwärtigen Laderampen abfeuerten.
›Eine richtige Schlacht ist das nicht‹, dachte Sten, als er sah, wie Ffillips eine riesige Brechstange in die Ketten eines der gepanzerten Fahrzeuge rammte. Sie trat einen Schritt zurück, schaute zu, wie sich die Brechstange in kleine Metallsplitter verwandelte, und kommentierte enttäuscht:
»Dabei steht in den meisten älteren Handbüchern noch ausdrücklich drin, dass ein Hindernis in den Zwischenrädern jedes Kettenfahrzeug zum Stehen bringt.« Dann schnipste sie eine Magnesiumgranate auf die ölverschmierte Auspuffanlage, und der Panzer verwandelte sich in einen metallenen Scheiterhaufen.
Alle Panzer kamen zum Stehen, und ihre Mannschaften kletterten mit erhobenen Händen heraus. Als sich Parrals letzte Verteidigungslinie en masse ergab, wusste Sten wieder, weshalb konventionelle Soldaten nach wie vor weiße Unterwäsche trugen.
›Womit es höchste Zeit wäre‹, dachte Sten, ›dass wir uns mit unserem Freund, dem Seigneur Parral unterhalten.‹
Kapitel 45
Parral gingen allmählich seine Alternativpläne aus. Sein großes Szenario, die Jann und die Söldner wie Pitbulls aufeinanderzuhetzen, war gründlich fehlgeschlagen. Sogar sein High-Tech-Verteidigungssystem mit den importierten Waffen hatte nicht viel getaugt. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als die Verladung seiner letzten Kunstschätze in ein Raumschiff zu überwachen.
Dieses Schiff - umgebauter Hochgeschwindigkeitsfrachter – war mitten auf dem Anwesen niedergegangen und hatte die am leichtesten zu transportierenden und am einfachsten zu versilbernden Schätze an Bord genommen.
Sein neuer Plan bestand darin, Nebta hinter sich zu lassen, einen bewohnbaren Planeten anzusteuern, dort zu landen und abzuwarten, bis sich der allgemeine Aufruhr wieder gelegt hatte; falls das je eintreten sollte. Denn jetzt, da Ingild tot war, die Jann als Machtfaktor so gut wie ausgeschaltet und seine eigenen Machtspielchen nicht aufgegangen waren, drohte dem Lupus-Cluster zum ersten Mal seit Generationen ein dauerhafter Frieden.
Parral war sich ziemlich sicher, dass Sten seine Handelsrouten den Bhor überlassen würde. Damit wäre er mehr als
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