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Kreuzigers Tod

Kreuzigers Tod

Titel: Kreuzigers Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Oberdorfer
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zunächst von einem Raubmord aus. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt die Polizeischule und eine Spezialschulung in kriminaltechnischer Arbeit gerade mit Auszeichnung abgeschlossen, als Vorgesetzte, die mich scheitern sehen wollten, weil ich mich während der Ausbildung einige Male frech betragen hatte, mir diesen Fall als meinen ersten übertrugen. Man schickte mich in das Bergdorf, das ich damals zum ersten Mal in meinem Leben betrat und aus dem ich seither nicht mehr herausgekommen bin. Ich fand das Dorf so vor, wie es immer gewesen ist: verschlossen. Niemand wusste etwas vom Verbleib Falkenbarths, geschweige denn von einem Verbrechen, das an ihm begangen worden sein könnte. Ich war ratlos, meine Laufbahn als Kriminalbeamter schien schon am Anfang zu scheitern. Ich fragte herum, ermittelte, recherchierte, schnüffelte herum, wo es nur ging - aber es half nichts. Eines Tages war es so weit, dass ich nicht mehr wusste, was ich noch tun könnte, und nach dem Frühstück nicht mehr unternehmungslustig aufstand, sondern bei Tisch sitzen blieb und aus Langeweile in alten Zeitungen herumblätterte. Die Seiten, die ich am liebsten las, waren die mit den vermischten Nachrichten und Gerichtsreportagen. Und in einer der Geschichten stach mir plötzlich der Name Falkenbarth in die Augen! Ja, da stand >Falkenbarth<, da wieder, der gesamte Artikel schien von ihm zu handeln. Ich war so aufgeregt, dass ich nur mit dem Blick über die Wörter hetzte, vom einen >Falkenbarth< zum nächsten. Schließlich beruhigte ich mich und las den langen Artikel von vorn bis hinten langsam durch. Er handelte von einem Ver-fahren vor den sogenannten >Volksgerichten<, die in der Nachkriegszeit zur Ahndung von NS-Verbrechern eingerichtet worden waren. Die abscheulichsten Taten kamen dabei regelmäßig in den >Gestapoprozessen< zur Sprache, weshalb von diesen Prozessen, wie auch hier, stets ausführlich berichtet wurde. Von Folter, Mord, Verschickung ins KZ war die Rede, von überlebenden Opfern, die im Zeugenstand weinend zusammenbrachen, und Angeklagten, die kühl mit den Schultern zuckten und sich als bloße Befehlsempfänger ausgaben, sowie von einem Saalpublikum, das sich mit Zwischenrufen, Gelächter, Pfiffen und Raunen klar auf die Seite der Angeklagten schlug. Und in dem Verfahren, von dem der Artikel handelte, berief sich der Hauptangeklagte auf die Befehle eines Vorgesetzten namens Falkenbarth, der allerdings jüngst, so stand in der Zeitung, verstorben sei. Handelte es sich da um einen anderen Falkenbarth? Falkenbarth war kein häufiger Name. Ich benützte das mit fettigen Fingerabdrücken übersäte Wirtshaustelefon und es gelang mir, mit dem zuständigen Staatsanwalt in Kontakt zu treten. Schon bald ergab sich, dass der angeblich tote Falkenbarth mit dem Falkenbarth, dessen Verschwinden ich klären sollte, identisch war. Ich erklärte ihm, dass ich den Fall Falkenbarth bearbeitete und zu klären versuchte, wie und wohin Falkenbarth verschwunden sei. Ich betonte, dass der Stand der Ermittlungen keineswegs den Schluss zuließ, dass Falkenbarth tot sei. Der hochrangige Staatsanwalt mit städtisch fein modulierter Rede geriet angesichts meines Anrufes in Rage. Ich hätte keinerlei Recht, mich mit solchen Belehrungen an ihn zu wenden, zumal die Tatsache, dass Falkenbarth tot sei, schonvor längerer Zeit von hoch-, ja höchstrangigen Vertretern der Polizei überprüft und bestätigt worden sei. Wenn nun aber ich als der in der Sache ermittelnde Polizist als Einziger davon keine Kenntnis erlangt hätte, dann sei das geradezu unerhört. Jedenfalls werde er die zuständigen Vorgesetzten sofort von meinem Anruf unterrichten, damit meine Ermittlungstätigkeit einer Überprüfung unterzogen werde. Hatte sich jener Staatsanwalt dann mit Gschnitzer in Verbindung gesetzt, der daraufhin ein Verfahren gegen mich in Gang brachte? Ich habe nie von einem Disziplinarverfahren gehört. Der Staatsanwalt übrigens wurde schon wenige Monate nach unserem Telefonat Gegenstand des öffentlichen Interesses, weil er in dem Verfahren, in dem der Name Falkenbarth gefallen war, von einem der Angeklagten Geld und eine Weihnachtsgans angenommen hatte - als Gegenleistung dafür, dass er dem Angeklagten entgegen seiner Funktion als Staatsanwalt half, wo es nur ging. Er wurde daraufhin seiner Stellung enthoben und zur Strafe zum Präsidenten eines hohen Richterkollegiums ernannt. Ich war nach dem Telefonat mit dem Staatsanwalt so vorgegangen: Mit Erlaubnis des Pfarrers brachte

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