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Kreuzigers Tod

Kreuzigers Tod

Titel: Kreuzigers Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Oberdorfer
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ich im Schaukasten vor der Kirche, in dem sonst der Pfarrbrief aushing, jenen Zeitungsartikel an, in dem vom Tod Falkenbarths die Rede war. Daraufhin, und das war das erste Erfolgserlebnis, das ich als Ermittler feiern konnte, wurde im Gasthof eine anonyme Nachricht abgegeben, in der ein Augenzeuge schilderte, wie Falkenbarth eines Nachts mit zwei Koffern eilig die Straße überquerte und vom Kommissariat zum alten Kreuziger hinüberging. Dort habe man die Koffer in Kreuzigers Auto geladen und daraufhin sei das Autolosgefahren. Am nächsten Tag war dann das Verschwinden Falkenbarths, der »Mord« an ihm ruchbar geworden. Damit schien sich mein von Anfang an bestehender Verdacht zu bestätigen: dass hier nur der Anschein eines Verbrechens vorlag und dass sich Falkenbarth in Wahrheit aus dem Staub gemacht hatte. Der Grund schien klar: Falkenbarth musste fürchten, für die Verbrechen, die ihm zur Last gelegt wurden, bestraft zu werden. Hatte ihn der Staatsanwalt selbst gewarnt oder aber ein Angehöriger der Polizei, nachdem sich die Staatsanwaltschaft nach dem Verbleib Falkenbarths erkundigt hatte? Ich war jedenfalls so naiv, dass ich meinen Vorgesetzten einen Bericht sandte, in dem ich nicht nur die Fakten und die anonyme Mitteilung, sondern auch meine unbewiesenen Vermutungen hinsichtlich der Unterstützung, die Falkenbarth bei seiner Flucht zugekommen sein musste, ausführlich zu einem Ganzen verwob, mit dem ich beeindrucken wollte, da ich meinen ersten Fall bearbeitete. Es dauerte nicht lange, bis ich davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ich vom Fall Falkenbarth abgezogen war. Ich fiel aus allen Wolken. Weil ich mich bei der Ermittlungstätigkeit im Dorf aber so hervorragend bewährt hatte, schrieb man mir, sollte ich interimistisch die Geschäfte Falkenbarths fortführen, so lange, bis der Akt Falkenbarth nach Klärung der Sache ein für alle Mal geschlossen und dann in aller Form ein Nachfolger für Falkenbarth bestellt werden konnte. Das war nicht der Erfolg, den ich mir von meiner Aufklärungsarbeit versprochen hatte. Dass die Tätigkeit eines Ortspolizisten und bloßen Wachmanns weit unter dem lag, wofür man mich ausgebildet hatte, will ich hier nur nebenbei erwähnen. Der Akt Falken-barth wurde bis auf weiteres nicht geschlossen, und ich blieb, zur Strafe, die ganze Zeit über - bis zum Fall Kreuziger - interimistisch mit der Leitung des hiesigen Postens betraut. Wie Falkenbarths Geschichte ausging, erfuhr ich erst vor wenigen Jahren, also Jahrzehnte nach seinem Verschwinden. Ich erwähnte schon die Tatsache, dass erstaunlich viele Polizisten Schnauzbärte tragen, und Falkenbarth wurde gerade sein Schnauzbart zum Verhängnis. Nicht etwa, dass er daran erkannt worden wäre. Wie hätte er erkannt werden können? Er wurde ja nicht gesucht. Falkenbarth floh unbehelligt nach Argentinien. Obwohl er keiner Verfolgung ausgesetzt war, fühlte er sich wie einer, der auf der Flucht war. Er lebte in ständiger Angst, verhaftet zu werden, und begann wegen dieser dauernden Anspannung, an seinem Schnauzbart zu nagen, zu knabbern und zwischendurch auch mit den Schneidezähnen an einzelnen Haaren zu ziehen. Im Exil tat er den ganzen Tag nichts anderes. Die einzelnen Haare - und das war das Problem - spuckte er dann aber nicht aus, sondern schluckte sie. Auf diese Weise sammelten sich im Lauf der Jahre in Falkenbarths Magen unzählige Barthaare an, die dort nicht verdaut wurden, sondern zunächst einmal nur liegen blieben. Eins fand sich zum anderen, und die Haare begannen einen Knäuel zu bilden, der wuchs und wuchs, bis er schließlich die Größe einer geballten Faust erreichte. Die ganzen Jahre über hatte Falkenbarth schon an grässlichen Bauchschmerzen gelitten, und eines Tages dann brach der Betrieb seiner Eingeweide komplett zusammen. Der herbeigerufene Notarzt berichtete später, dass Falkenbarths Gesichtsfarbe bei seinem Eintreffen giftgrün gewesen sei, mit einer Leuchtkraft, die er noch bei keinem
    Menschen jemals gesehen habe. Falkenbarth litt entsetzlich, aber ihm konnte nicht mehr geholfen werden. Bei der Obduktion wurde dann der große Haarball gefunden, der mittlerweile angeblich in einem Kuriositätenmuseum in Buenos Aires besichtigt werden kann.
    Gschnitzer schien bemerkt zu haben, dass ich weit abgedriftet war. Er schaute mich spöttisch an und wartete darauf, dass ich mich ungeschickt exponieren und mein damaliges Vorgehen verteidigen würde. Ich aber wusste, dass ich in der Lage, in der ich mich befand,

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