Kreuzigers Tod
als August Kollani zum Vorschein. Ich hatte ihn als so grimmigen und entschlossenen Angreifer erlebt, doch unter der Mütze kam sein gewohnt breites, beinah seliges Grinsen zum Vorschein. Dieses Grinsen schien noch gar nicht aufgehört zu haben, obwohl das Gesicht bereits eine bläuliche Blässe aufwies. Warum hatte mich der Kollani, mit dem ich mich niemals auch nur ansatzweise entzweit hatte, der mich stets zuvorkommend und freundlich behandelt hatte, töten wollen?
»Genau wie ich es mir gedacht habe. Unglaublich, diese Bande!«, sagte Gschnitzer. »Ich weiß, dass er so etwas wie Ihr Freund war. Ich weiß auch, dass Ihr Verhältnis zu seinem Sohn Hans-Peter Kollani geradezu freundschaftlich war. Viele wissen das, und glauben Sie mir, es gereicht Ihnen nicht zum Vorteil, obwohl die Tatsache, dass der Kollani Sie angriff und töten wollte, bedeutet, dass Sie mit ihm und seinen Söhnen nicht unter einer Decke gesteckt haben können.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte ich. »Die Geschichte mit den Kollanis war doch ein tragischer Irrtum.«
»Den Sie zu verantworten haben, mein Lieber, und der wahrscheinlich den Grund dafür darstellte, dass Sie Gegenstand dieser Attacke geworden sind.«
»Ich weiß«, sagte ich.
»Wir haben schon einmal ein langes Telefonat in die-ser Frage geführt, in dessen Verlauf ich Ihnen mitgeteilt habe, dass es nicht nur kein Fehler gewesen ist, die Kollanis in Ihre Untersuchungen einzubeziehen, sondern dass es angesichts des Verdachts, der bestand, geradezu Ihre Pflicht gewesen ist, dies zu tun. So wie es die Pflicht der Sicherheitskräfte gewesen ist, bewaffneten Widerstand, der sich ihnen entgegenstellte, bedingungslos zu brechen.«
Bei »bedingungslos« zeigte er die Zähne und skandierte so gestochen scharf, dass ihm die Spucke in feinen Tröpfchen aus dem Mund sprühte.
»Ich muss übrigens noch nachtragen, dass Hans-Peter nach seinem Transport in ein Hochsicherheitsgefängnis der Hauptstadt im Zuge weiterer Verhöre verstorben ist, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass der alte Kollani darüber den Kopf verloren hat und Amok gelaufen ist.«
»Hans-Peter - tot?«
»Ja, wir gehen davon aus, dass er das Gefecht mit den Sicherheitskräften nur äußerlich unbeschadet überstanden und innere Verletzungen davongetragen hat, die sich erst nach einiger Zeit und dann allerdings mit schlagartiger Plötzlichkeit bemerkbar machten.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das alles hat mit dem Mord an Kreuziger eigentlich nichts zu tun«, sagte ich.
»Die Durchsetzung von Recht und Ordnung in der Sache Kreuziger bedeutet einen Eingriff ins hiesige soziale Gefüge, der eine bestimmte Dynamik entfaltet. Dieser Herausforderung muss man sich stellen. Glauben Sie, wir sind zum Spaß bewaffnet? Schauen Sie, lieber Kollege -« Er ging ein paar Schritte auf mich zu und legte mir einen Arm auf die Schultern, was mir unange-nehm war, weil diese ironische Vertraulichkeit zu der Dienstlichkeit unseres Verhältnisses in Widerspruch stand und zu bedeuten schien, dass er mich nicht ernst nahm. »Ich habe Ihre Personalakte genau studiert und ich wusste von Ihrem Fall schon vor dem Fall Kreuziger, weil ich früher einmal, vor vielen Jahren, den Vorsitz in einer Disziplinarkommission führte, die den Fall Falkenbarth, vielmehr Ihre Bearbeitung des Falles Falkenbarth, die schwere Kontroversen ausgelöst hat, einer Nachuntersuchung unterzog.«
»Sie wissen vom Fall Falkenbarth?«, fragte ich, und es klang, ich weiß nicht warum, es klang, als fühlte ich mich schuldig oder als müsste es mir unangenehm sein, über den Fall Falkenbarth zu sprechen.
»Ja, natürlich«, sagte er jovial. »Wenn Ihnen auch im Fall Falkenbarth kein Amtsmissbrauch nachgewiesen werden konnte, so ist doch unzweifelhaft klar, dass Sie diesen Fall äußerst nachlässig und schlecht bearbeitet haben.«
»Das ist unzweifelhaft klar<, sagen Sie? Sie sind der Erste, von dem ich das höre. Ich wusste nicht einmal, dass eine Disziplinarkommission zur Untersuchung meiner Vorgangsweise eingesetzt worden ist, geschweige denn, dass Sie in dieser Kommission den Vorsitz führten.«
»Sehen Sie, Herr Kollege, daran, wie viel man weiß, lässt sich der Rang ermessen, den man in einer Hierarchie einnimmt.«
Falkenbarth, mein Vorgänger als Ortspolizist, war eines Tages - viele Jahre vor dem Fall Kreuziger - spurlos verschwunden. Da man sein Haus in äußerster Unord-nung vorfand und mehrere wertvolle Gegenstände daraus entwendet waren, ging man
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