Kreuzigers Tod
erst einmal eine gute Stellung hast, Engel, und ein ordentliches Gehalt, kannst du dir so viele Wurstsemmeln kaufen, wie du willst, und bist nicht mehr auf diesen Angeber angewiesen. Das hat er sich nicht zweimal sagen lassen. Und ich darf Ihnen mitteilen, dass ich den Engel nach Erledigung des Falles Kreuziger in die Hauptstadt mitnehmen und zu meinem höchstpersönlichen Assistenten machen werde.«
Der Engel glänzte wie eine Christbaumkugel.
»Warum erzählen Sie mir das alles, Herr Doktor?«
»Es scheint mir an der Zeit, dass Sie wissen, wie die Dinge liegen. Sie werden auf Schritt und Tritt überwacht und haben gar nicht die Möglichkeit, am Schluss noch alles zu vermasseln.«
Konnte dieser Mann denn sogar meine Gedanken lesen?
»Ich möchte, dass Sie wissen, dass Sie in der Angelegenheit dieses Mordfalls lediglich die Funktion eines Spürhundes haben, aber ich bin durchaus bereit, zu konzedieren, dass Sie bisher ein guter Spürhund waren. Immerhin stehen wir vor der Verhaftung der Mörderin. Ich selbst habe gestern in dem unbewohnten Hof, den sie hier den Pesthof nennen, mit meinem engeren Stab Quartier genommen, um die Finalisierung der Angelegenheit aus der Nähe zu überwachen. Wie Sie sehen, war die Entscheidung, vor Ort zu agieren, richtig. Sie selbst sollten glücklich darüber sein, denn ohne mich würden Sie jetzt tot da im Gras liegen.«
»Schon gut«, sagte ich müde. »Ich muss Ihnen noch eine Meldung machen.«
»Nicht nötig.«
Gschnitzer fasste mit einem schnellen Griff in die
Brusttasche meines Mantels, die ich nie gebrauchte, was der teuflische Engel gewusst haben musste. Er zog einen kleinen Sender hervor. Deshalb also die Umarmung, bevor ich in Mannlechners Haus gegangen war!
»Das Mannlechner-Verhör ist uns in allen Einzelheiten bekannt.« Er klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. »Die Übergriffe, zu denen Sie Ihr investigativer Ehrgeiz veranlasst hat, werden wir Ihnen nicht zum Vorwurf machen. Die Bilder samt Skizzen sind längst abfotografiert.«
»Wurde ich auch beschattet, als ich heute Morgen auf den Dachboden des Kommissariats gestiegen bin, um einen Blick durch das Teleskop zu werfen?«
Gschnitzer schüttelte erstaunt den Kopf. »Sie haben sich Falkenbarths Teleskops bemächtigt?«
»Nicht bemächtigt, ich habe lediglich durchgeschaut.«
»Wo ist da der Unterschied?«
»Jetzt lassen Sie mich doch erzählen, was ich sah.«
»Und?«
»Ich sah den Kollani auf dem Weg zum alten Kreuziger.«
»Soll das etwas zu bedeuten haben?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass mich der Kollani aus eigenem Entschluss angegriffen hat. Der alte Kreuziger hat ihn gegen mich aufgehetzt, er muss seine Verzweiflung missbraucht haben!«
»Hoho! So spricht der Chefermittler.«
Nicht nur der Engel lachte, sondern auch einige der uniformierten Polizisten.
»Langsam, mein Lieber, langsam. Der Kreuziger ist ein ehrenwerter Mann und der gebrochene Vater eines
ermordeten Sohnes. Den lassen Sie mal lieber aus dem Spiel! Darüber hinaus ist es eine Ungeheuerlichkeit, dass Sie es wagen, das Privateigentum Ihres Vorgängers dazu zu benützen, Ihren überschießenden Diensteifer abzureagieren. Wenn ich Ihnen einen freundschaftlichen Rat geben darf: Sie täten besser daran, sich um Ihr eigenes Zeug zu kümmern und darin Ordnung zu halten.«
»Wie bitte?«
»Herr Engel, die Fotos, bitte.«
Herr Engel fasste in eine der Taschen seiner nagelneuen schwarzen Lederjacke, die ihn sehr gut kleidete. Er holte einen Stapel Fotos hervor und reichte sie Gschnitzer, der sie wiederum an mich weiterzureichen schien. Aber als ich sie nehmen wollte, zog er sie zurück.
»Nicht anfassen, nur anschauen. Dieser Müllhaufen da ist Ihre Wohnung. Im Pesthof, in dem ich mich gestern notdürftig eingerichtet habe, herrscht heute mehr Ordnung als an diesem Ort der Verwahrlosung. Halt, ich weiß, was Sie denken. Sie fragen sich, wie kommt der an diese Fotos und was bildet er sich überhaupt ein.«
Auf eine abwehrende Geste meinerseits hin wurde er sofort ärgerlich.
»Lügen Sie nicht, ich kenne Sie, ich weiß, wie Sie und Ihresgleichen denken. Herr Engel erhielt den Auftrag, in der vergangenen Nacht eine Routineuntersuchung Ihres Hauses durchzuführen. Nicht weil wir etwas Bestimmtes in diesem Haus vermuteten, sondern weil ich das Gefühl hatte, es könnte nicht schaden, sich einmal näher Ihre Umstände anzusehen. Wir konnten uns ein Scheitern nicht erlauben, und wir hatten keinen Grund, uns Ihrer Loyalität
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