Kreuzstein
herausgekommen?«, fragte ein vorwitziger Student.
»Dazu kann ich Ihnen leider überhaupt nichts sagen, da es sich um laufende Ermittlungen handelt. Aber eines kann ich Ihnen schon jetzt versprechen«, erwiderte Allenstein. »Dieser Steinbruch wird Programmpunkt einer der nächsten Exkursionen im Sommer sein.«
Allenstein warf Anja einen flüchtigen Blick zu. Ob sie seine Spontaneität und Schlagfertigkeit wohl bewunderte?
»Kommen wir also wieder zurück auf die Steinbrüche, die Material für historische Bauten geliefert haben. Hier in der Region sind Sandsteine der Unter-Kreide aus dem Wesergebiet bei Bückeburg verwendet worden, das ist der sogenannte Oberkirchener Sandstein …« Allenstein machte unwillkürlich eine Pause. Irgendetwas in seinem Hirn verknüpfte in diesem Moment den Sandsteinfund oben im Steinbruch von Bad Honnef mit dem Bruchstück des Steinkreuzes.
»Weiter«, sagte er laut zu sich und schüttelte den Kopf. »Außerdem sind noch große Mengen Trachyt vom Drachenfels aus dem Siebengebirge verbaut worden.« Allenstein warf die erwähnten Steinbrüche mit Beamer an die Wand.
»Wenn wir weit zurückgehen, kommen natürlich die Römer ins Spiel. Sie haben den dichten, unverwüstlichen Basalt geschätzt und ihn sehr häufig in den Fundamenten von Brücken und Villen verbaut. Basalte sind äußerst verwitterungsresistent, was die Römer anscheinend schon richtig beurteilen konnten, gleichzeitig sind sie sehr hoch belastbar und durch die Abkühlungsklüftung leicht zu bearbeiten. Es gibt allerdings eine Ausnahme. Das ist der Sonnenbrenner, ein Basalt, der innerhalb weniger Jahre an der Luft zerfällt. So mancher Steinbruchbetrieb gerade im Westerwald ist daran früher pleitegegangen, weil man ihn frisch kaum von dem normalen Basalt unterscheiden kann. Stellen Sie sich vor, Sie liefern Basaltsäulen als Stützelemente, und innerhalb von drei Jahren zerbröseln sie in kleine Stücke. Damit kann man kein Geld verdienen.«
»Wie konnte man denn die beiden Arten unterscheiden?«, fragte eine Studentin.
»Die Steinbrucharbeiter haben auf die Proben gepinkelt.«
Erstauntes Gelächter verbreitete sich im Hörsaal.
»Das ist jetzt kein derber Geologenwitz. Ich weiß nicht, was die Arbeiter im Steinbruch früher getrunken haben, aber es hat funktioniert. Nach wenigen Tagen waren die ersten typischen Flecken des Sonnenbrennerbasalts sichtbar.«
»Das glaube ich nicht«, entrüstete sich dieselbe Studentin. »Wo ist denn da der wissenschaftliche Zusammenhang?«
»Nun gut, ein kurzer Abriss. Die grauen Flecken, die man im Sonnenbrenner zuerst sieht, sind die Stellen, die zuerst sehr schnell verwittern. Auf diese Flecken laufen von den Nachbarflecken Risse zu, sodass sich ein komplettes Netz aus Rissen aufbaut, sobald der Basalt der Verwitterung ausgesetzt ist. Die Flecken selbst waren Schmelztröpfchen und stammen aus einer Mischung unterschiedlicher Magmen. Sie hatten noch im glutflüssigen Zustand des Basalts eine andere chemische Zusammensetzung. Dadurch sind sie etwas später kristallisiert als der eigentliche Hauptteil des Basalts. Was passiert, wenn Sie in einem Glas einen Punkt haben, einen Fremdkörper, der dem Glasbläser während der Herstellung in die Glasmasse gefallen ist?«
Allenstein schaute seine Studenten auffordernd an.
Zögernd meldete sich ein älteres Semester aus der hintersten Reihe.
»Wenn das Glas reißt, läuft der Riss auf die Stelle mit dem Fremdkörper zu.«
»Genau das«, nickte Allenstein bestätigend. »Und so ist das auch beim Sonnenbrenner. Die später kristallisierten Schmelztröpfchen sind Inhomogenitäten in einem Gestein, das in der Grundmasse neben den Mineralen viel Gesteinsglas enthält. Sie selbst schrumpfen etwas, wenn sie fest werden, ein idealer Ausgangspunkt für Risse, an denen schnell Verwitterungslösungen eindringen können. Diese arbeiten dann die grauen Flecken heraus. Und«, Allenstein machte eine rhetorische Kunstpause, während er auf einen verwitterten Sonnenbrandbasalt an der Projektionswand zeigte, »Urin scheint eine Flüssigkeit zu sein, die die Verwitterung begünstigt.«
In diesem Moment hörte er das Klappern von Absätzen auf den Stufen des Hörsaals. Er spürte förmlich, wie sich seine Nackenhaare langsam aufstellten. Als er sich umdrehte, wurden seine Befürchtungen zur grausamen Gewissheit. Die Hörnig marschierte mit schwingenden Hüften die Hörsaalstufen herunter und fuchtelte schon weit oben wieder mit seinem Handy.
Ein
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