Kreuzstein
nicht so leicht von seinen Vorstellungen abzubringen. »Ich glaube ja, die Sprengung war ein Anschlag auf den Nigerianer, aus welchen Gründen auch immer. Wir sollten auf jeden Fall in Richtung Menschenhandel oder Rauschgift ermitteln. Da wollte sich bestimmt jemand rächen.«
Kommissarin Kronberg warf ihrem Assistenten einen Blick von der Seite zu. Er hatte wirklich einen Hang zu dramatischen Szenarien.
»Meinen Sie nicht, Sie haben zu viele schlechte Krimis gelesen?«, fragte sie spöttisch.
Aber Weller ließ sich nicht beirren. »Cordula Krämer ist vielleicht nur auf den Stein aufgeschlagen, den andere schon viel früher in den Bruch geworfen hatten. Das können Kinder gewesen sein. Es macht doch Spaß, Steine zu schmeißen, das haben wir früher auch immer gemacht. Der Hang mit den Steinbrocken ist ziemlich steil, und nachdem das Mädchen aufgeprallt ist, ist vielleicht auch noch einiges verrutscht. Der Notarzt war da, gleich danach hat es angefangen zu schneien, der Abtransport der Leiche. Hundert Möglichkeiten, den Stein zu verlagern.«
»Wie gesagt, warten wir es ab. Lassen Sie uns erst einmal Gerda Krämer befragen. Sie brauchen übrigens nicht mit in die Klinik zu kommen«, meinte Gabriele Kronberg. »Ich werde auf jeden Fall fachliche Unterstützung hinzuziehen. Und Sie besorgen mir in der Zwischenzeit einen Sprengmeister, oder am besten einen Ausbilder, der Sprengkurse gibt und uns alles über Steinbruchsprengungen erzählen kann. Außerdem soll uns das Labor endlich die Information über den Sprengstofftyp geben. Schicken Sie bundesweit eine Anfrage nach gestohlenem Sprengstoff raus, und fragen Sie beim BKA nach, ob es in den letzten zwanzig Jahren ähnliche Fälle gegeben hat.«
Das Gebäude aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende hatte etwas Ehrfurcht gebietendes. Es lag in einem kleinen Waldstück am Hang des Siebengebirges und war von einem hohen Zaun mit einem automatischen Eisentor umgeben. Der Pförtner öffnete vom Haus aus das von einer Kamera überwachte Tor, nachdem Gabriele Kronberg sich über die Sprechanlage vorgestellt hatte. Die gepflasterte Straße führte steil ansteigend direkt auf einen Wendeplatz vor einem breiten Treppenaufgang, an den auf der etwas höher liegenden linken Seite eine flache Auffahrrampe für Rollstühle angebaut worden war.
Eine dezent gekleidete Dame mittleren Alters wartete bereits an der doppelflügeligen Eingangstür. Ihre Gesichtszüge und das zu einem Dutt zusammengesteckte Haar strahlten eine unsympathische Strenge aus.
»Guten Tag, ich bin Gabriele Kronberg, Kripo Köln«, sie zeigte ihren Ausweis, »und das ist meine Kollegin, Frau Dr. Petra Gärtner. Wir haben erfahren, dass Frau Gerda Krämer hier untergebracht ist. Wir würden sie gerne sprechen.«
»Oh, das wird schwierig werden. Um diese Uhrzeit haben wir ein spezielles Übungsprogramm, aus dem sie nicht einfach herausgeholt werden kann. Worum geht es denn?«
»Wir möchten ihr nur ein paar Fragen stellen. Bitte, zeigen Sie uns, wo wir sie finden können.«
»Warten Sie einen Augenblick, ich werde Doktor Schwertfeger informieren.«
Gemeinsam gingen sie an der Pförtnerloge vorbei in die Eingangshalle, von der zwei alte, geschwungene Natursteintreppen zu den oberen Stockwerken führten. Die strenge Empfangsdame deutete auf eine Sitzgruppe zwischen den Treppenaufgängen und verschwand durch eine große Schiebetür, die sich automatisch öffnete, im Erdgeschoss.
Als sie weg war, schaute Kronberg sich unbehaglich um. Ihre Kehle war auf einmal wie ausgedörrt. »Das sind so die Einrichtungen, mit denen ich überhaupt nicht zurechtkomme.« Sie warf ihrer Kollegin einen vielsagenden Blick zu und schüttelte sich leicht, als ob ihr ein Schauer über den Rücken liefe.
»Alles Gewöhnungssache«, entgegnete Petra Gärtner, die Diplom-Psychologin war. »Ich habe eine Zeit lang in solchen Einrichtungen gearbeitet. Nach einer Weile macht es einem nichts mehr aus. Außerdem wäre es schlimm, wenn es solche Kliniken nicht gäbe.«
Gabriele Kronberg stimmte ihr zu. Sie war froh, eine Kollegin vom Fach dabeizuhaben. Befragungen psychisch sensibler Personen liefen nicht nach vertrauten Mustern ab, und sie hatte Angst, etwas falsch zu machen. Bei so heiklen Vernehmungen war Petra Gärtner die erste Wahl, weil sie nicht nur selbstsicher und kompetent war, sondern durch ihre ein wenig fülligere Figur eine ausgesprochen mütterliche Ausstrahlung hatte.
In diesem Moment glitt die Schiebetür erneut
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