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Kreuzstein

Kreuzstein

Titel: Kreuzstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schreiber
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vierten Advent, die die Häuser in der Glockengießerstraße von Apolda erschüttert hatte. Die alte Glockengießerfabrik, eingeklemmt zwischen zwei angebauten Häusern, wurde vollständig zerstört. Gabriele Kronberg kramte rasch ihren Notizblock aus der Tasche und versuchte, sich zu konzentrieren.
    »Was gibt es für Erklärungen? Gas?«
    »Wir wissen noch gar nichts. Es kann natürlich an einer defekten Gasleitung vom Nachbarhaus liegen, vielleicht hat aber auch jemand eine alte Granate aus dem Krieg dort versteckt, was ich aber nicht glaube, oder es war tatsächlich eine beabsichtigte Sprengung. Und das könnte Sie doch dann auf jeden Fall interessieren, oder?«
    »Wann wissen Sie mehr?«
    »Schwer zu sagen, wir mussten erst einmal vorsichtig den Schutt beseitigen, das hat gedauert. Verletzt wurde zum Glück niemand, aber wir konnten ja nicht ausschließen, dass doch noch jemand unter dem Schutt liegt. Deshalb bin ich auch erst jetzt dazu gekommen, mich zu melden.«
    »Halten Sie mich auf jeden Fall auf dem Laufenden, wir gehen dem kleinsten Hinweis nach.«
    Kronberg wollte gerade auflegen, als ihr noch ein Gedanke kam: »Ach übrigens, mal ganz naiv gefragt: Könnte jemand Interesse am schnellen Abriss der Fabrik haben? Erben, Streithähne oder so etwas in der Art? Dann hätten wir natürlich gar nichts damit zu tun.«
    »Das haben wir als Erstes recherchiert, aber da ist bisher nichts in Sicht.«
    »Können Sie sich denn irgendeine Verbindung hier in unsere Region …« Die Kommissarin stockte. Dann fragte sie: »Sagen Sie mal, Glocken sind doch aus Bronze?«
    »Ja, die meisten schon. Aber es gibt wohl auch welche aus Stahl.«
    »Und Bronze ist eine Metallmischung aus Kupfer und Zinn?«
    »So haben wir das in der Polytechnischen Oberschule noch gelernt.«
    »Wurden in dem Gebäude Glocken gegossen, die nach Köln oder in die Umgebung geliefert wurden?«
    »Aber sicher! Sagt Ihnen der Dicke Pitter was?«  
    »Ja, klar! Dumme Frage. Das ist die größte Glocke im Kölner Dom.«
    »Sehen Sie, die wurde 1923 hier gegossen. Sie ist 24 Tonnen schwer.«
    Die Kommissarin musste unvermittelt aufstoßen. Der viele Kaffee im BKA auf halbnüchternen Magen rächte sich jetzt. Außerdem hatte sie Kopfschmerzen. Mit gespreizten Fingern fuhr sie sich über die Stirn und durch die Haare, als könne sie die Schmerzen dadurch wegdrücken.
    »Entschuldigung. Aber das ist jetzt sehr wichtig. Sobald Sie wissen, was die Sprengung verursacht hat, sagen Sie mir bitte Bescheid. Ich glaube tatsächlich, dass es mit unserem Fall zu tun haben könnte. Wir werden Ihnen eine Personenbeschreibung schicken, die Sie für Ihre Ermittlungen einsetzen sollten. Vielleicht kommen wir so schnell zu einem Ergebnis. Ich danke Ihnen auf jeden Fall für Ihren Anruf.«
    Als sie aufgelegt hatte, zog ihr Gegenüber eine kleine Schachtel aus der Tasche. Es waren Kopfschmerztabletten.
    »Hier, es sind noch genug drin.«
    Verdammte Vorurteile, dachte Gabriele Kronberg und nahm dankbar eine heraus.
    »Entschuldigung, ich muss leider noch einmal telefonieren.«
    Schnell suchte sie im Speicher die Nummer von Weller. Während sie auf die Verbindung wartete, schaute sie angestrengt nach draußen. Gleich musste der Tunnel Eichheide kommen, vor Montabaur. Dann konnte sie das Telefonieren vergessen. Den Tunnel kannte sie nur zu gut von einem ihrer ersten Fälle, in dem es um den Mord an einer Kölner Prostituierten gegangen war, damals im Containerdorf, das es vor jeder großen Tunnelbaustelle gab. Das war schon ewig her. Die Zeit verging so schnell.
    Plötzlich bremste der ICE heftig ab. Die Papiere auf dem Tisch schossen ihrem Gegenüber auf den Schoß. Gleichzeitig fuhren sie in den Tunnel ein, und als der Zug schließlich vollständig zum Halten gekommen war, standen sie mitten im Tunnel.
    Sofort kam eine Durchsage des Zugführers.
    »Verehrte Fahrgäste, wegen eines technischen Defektes hat es eine automatische Notbremsung gegeben. Bitte bleiben Sie auf Ihren Plätzen, wir informieren Sie, sobald die Ursache geklärt ist.«
    Gabi und ihr Gegenüber sahen sich an.
    »Frohe Weihnachten!«, meinte sie nur lakonisch.
    In diesem Moment ging die gesamte Beleuchtung aus. Einige der wenigen Fahrgäste gaben verängstigte Laute von sich, und in einigen Sitzreihen leuchteten die Displays von Handys auf. Allerdings waren alle Versuche hoffnungslos, hier mitten im Tunnel hatte niemand Empfang. Nach kurzer Zeit kam ein Zugbegleiter mit einer Handlampe durch die Waggons

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