Kreuzstein
doch nicht von einer Einzelperson ausgelöst worden!«
Malte starrte verstockt zu Boden.
»In gewisser Weise sind das die Sprengungen auch. Sie wurden ausgelöst durch Fehlverhalten und Handlungen wider die Natur. Und im Grunde genommen haben Täter zu allen Zeiten in Kauf genommen, dass auch Unbeteiligte ums Leben kamen. Sieh mich nicht so an!«, fuhr er sie plötzlich an. »Ich bin nur das Opfer! Verstehst du, das Opfer!«
Er blickte auf seine Armbanduhr und erschrak. »Ich muss weg«, stieß er hervor. Er rannte in die vorderen Räume und kam mit Katys Handy zurück. Den Akku hatte er ausgebaut und es ersatzweise an ein Netzteil angeschlossen, das er mit einer Zeitschaltuhr verband. Beides steckte er in eine Steckdose, die Katy nicht erreichen konnte.
»Ich weiß nicht, ob ich wiederkomme. Um Punkt ein Uhr wird es an den Domtürmen heiß hergehen. Ich stelle die Uhr auf Eins, dann kannst du wieder telefonieren.« Er legte ihr das Handy neben die Matratze.
»Du willst doch nicht etwa den Dom sprengen«, schrie Katy entsetzt.
Malte wirkte auf einmal sehr überlegt und sicher. »Habe ich Dom gesagt? Ich habe von den Domtürmen gesprochen, und ich weiß, was ich tue. Anders begreifen die es doch nie.«
»Und was ist mit mir? Wenn ich jetzt dort wäre? Würdest du mich auch opfern, einfach so, als Kollateralschaden?«
Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu und murmelte: »Du bist ja hier.«
Er ergriff die schwere Tasche und ging zur Tür.
»Schrei nicht zu laut, es hört dich sowieso keiner. Und um ein Uhr bist du sowieso frei.«
»Nein!«, brüllte sie hinter ihm her. »Malte, nein, das darfst du nicht tun!«
Der ICE Lahnstein legte sich leicht in die Kurve und schien ganz langsam zu werden. Mit Erreichen der Gerade zog er kräftig an und beschleunigte auf die hier erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Gabi Kronbergs Magen drückte leicht auf einen undefinierbaren Teil ihres mittleren Körperabschnitts. Endlich war sie auf der Rückfahrt nach Köln. Die stundenlange Sitzung im Bundeskriminalamt in Wiesbaden steckte ihr noch in den Knochen. Sie hatte Kopfschmerzen und überlegte, wie sie jetzt an Heiligabend überhaupt in Feierstimmung kommen sollte. Ihren Vater hatte sie vorsichtshalber schon auf die nächsten Tage vertröstet. Viel Ruhe hatte sie ja sowieso nicht zu erwarten. Der Wunsch, sich mit Henno ins Private zurückzuziehen, war durch seinen Anruf wie eine Seifenblase zerplatzt. Die Kollegen vom BKA standen kurz davor, den Fall an sich zu ziehen. Dass sie nach Weihnachten einen Vertreter in die Sonderkommission entsenden wollten, war ein deutliches Zeichen dafür. Eigentlich keine schlechte Lösung, dann könnte sie sich endlich etwas zurücknehmen. Sie dachte an Henno. Vielleicht war er ja der Ausweg aus diesem Stress, diesem chaotischen Leben zwischen Tür und Angel, zwischen Mördern und nervigen Vorgesetzten. Aber jetzt mussten sie sich zuerst einmal darum kümmern, dass er seine Tochter heil zurückbekam. Eine wirklich unschöne Entwicklung der Dinge.
Sie saß in der Mitte des Großraumwagens, in einer der Sitzgruppen mit Tisch. Unauffällig musterte sie den Mann, der ihr schräg gegenüber saß. Nach zwanzig Sekunden zählte sie die Vorurteile, die sich ihr automatisch aufgedrängt hatten. Immerhin waren es nur vier. Die Tätowierung am Unterarm, der Ohrring, der Pferdeschwanz und der Gesichtsausdruck. Zu jedem Punkt fiel ihr ein negatives Beispiel ein.
Der Job prägt dich, dachte sie leicht verärgert und schaute auf die wenigen vorbeirasenden Lichter. Sie fuhren gerade durch den Taunus, und gleich würden sie den Westerwald erreichen, die schnellste Verbindung von Frankfurt nach Köln. Wieder gab es einen leichten Schlag, einer der zahlreichen Tunnel auf dieser Strecke erhöhte leicht den Druck aufs Ohr, der sich auf dem Trommelfell bemerkbar machte.
Das Handy klingelte. Hastig nahm Gabi ab, da sie auf einen Anruf von Henno oder Weller wartete. Es meldete sich jedoch ein Kollege aus Jena, der sich ihre Nummer beim Präsidium in Köln besorgt hatte. Er fiel gleich mit der Tür ins Haus.
»Frohe Weihnachten, Kollegin, ich habe von Ihren ungewöhnlichen Sprengungen gehört. Das hat sich sogar bis zu uns nach Thüringen herumgesprochen. Jentzsch ist mein Name.«
Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Nicht heute Abend, dachte Gabriele Kronberg.
»Vielleicht ist ja für Sie ein Ereignis von Interesse, das hier kürzlich stattgefunden hat.«
Er berichtete von einer Detonation in der Nacht zum
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