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Kreuzstich Bienenstich Herzstich

Titel: Kreuzstich Bienenstich Herzstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Kostüm mit wadenlangem Rock, das schätzungsweise 1908 aus der Mode gekommen war. Aus der im Vergleich zur zierlichen Frau gigantischen Kroko-Handtasche, die sie in ihre linke Armbeuge eingehängt hatte, lugte ein komatöser Pekinese.
    »Gestatten, Seifferheld.« Er hielt eine knappe Verbeugung für angemessen. Bestimmt kannte sie aus ihrer Jugend noch das formvollendete Hackenzusammenschlagen, aber das unterließ er dann doch lieber. »Kripo«, fügte er noch hinzu, obwohl das so nicht mehr stimmte, doch es würde die Wirkung zeigen, auf die er abzielte.
    Die alte Dame nickte erneut. Oder vielleicht war es auch nur ein altersbedingtes Muskelzucken. »Angenehm, von Gesken. Ich war seine Vermieterin.«
    Von Gesken. Seifferheld kam nicht so schnell darauf, woher er den Namen kannte. Also sagte er erst einmal unverbindlich: »Was für ein Verlust.«
    Sie schwieg.
    Der Wind wirbelte etwas Laub auf.
    Müllerschöns Grab war im Grunde nur ein Erdhügel mit einem schlichten Holzkreuz, auf dem Müllerschön stand.
    »Sie haben die Traueranzeige geschaltet, nicht wahr«, sagte Seifferheld nach einer Weile, als ihm wieder eingefallen war, woher er ihren Namen kannte. »Sehr anständig von Ihnen, sich so um Ihren Mieter zu kümmern.«
    Frau von Gesken antwortete nicht. Ob sie taub war?
    Seifferheld hatte den Artikel über Müllerschön in seinem Gedächtnis gespeichert. Er war als Erster verschwunden. Ein alleinstehender Mann Mitte vierzig, gebürtig ausdem Badischen, aber schon seit Ewigkeiten im hohenlohischen Schwäbisch Hall. Ohne Angehörige. Seine Vermieterin hatte ihn als vermisst gemeldet.
    »Enorm anständig von Ihnen«, wiederholte Seifferheld mit erhöhter Dezibelstärke.
    Frau von Gesken reagierte darauf ebenso wenig wie ihr Pekinese.
    Was nun?, dachte Seifferheld.
    »Wirklich sehr rücksichtslos von Müllerschön, einfach so zu sterben«, erklärte Frau von Gesken plötzlich mit ihrer brüchigen Altfrauenstimme. »Ich bin ihm mit der Miete erheblich entgegengekommen und er hat dafür meine Besorgungen übernommen. Haben Sie eine Ahnung, wie schwer es war, Ersatz für ihn zu finden?«
    Seifferheld legte die Stirn in Falten.
    »Jetzt zahle ich dem kleinen Klenk von gegenüber zehn Euro für seine Hilfe. Das ist natürlich günstiger, aber der kleine Klenk bringt nie genau das mit, was ich ihm aufgeschrieben habe. Ich habe ihn im Verdacht, Analphabet zu sein. Und die Wohnung steht auch immer noch leer. Es will ja heute niemand mehr möbliert wohnen. Dabei besteht die Einrichtung aus echten Antiquitäten. Sie suchen nicht zufällig eine Bleibe?«
    Sie sah zu ihm auf.
    Seifferheld schüttelte bedauernd den Kopf. Was er suchte, war ein roter Faden. Irgendetwas, was die toten Männer miteinander verband.
    In Seifferheld hatte nämlich eine These Gestalt angenommen: Wenn an vier aufeinanderfolgenden Monaten, immer zu Ultimo, vier alleinstehende Männer mittleren Alters verschwinden, dann hat da jemand nachgeholfen.Und natürlich gab es eine Verbindung zwischen den Toten. Irgendetwas, das ihn auf die Spur des Mörders bringen würde.
    »Was hatte er denn für Hobbys?«, fragte Seifferheld.
    »Wer? Kevin?« Die alte Frau hob eine ihrer aufgemalten Augenbrauen.
    »Kevin?«
    »Der Sohn von Klenks, der mir jetzt meine Einkäufe erledigt.«
    »Nein … äh … Herr Müllerschön.«
    »Ach. Rainier.« Sie sprach es »Ränjé« aus
    »Nicht Rainer?«
    »Nein, Rainier. Weil er am Tag der Eheschließung von Fürst Rainier von Monaco mit Grace Kelly zur Welt gekommen ist. Wäre er ein Mädchen gewesen, hätten ihn seine Eltern Grazia genannt.« Frau von Gesken sah zu ihrem Pekinesen hinunter. »Diana wurde nach Prinzessin Di benannt.«
    Offenbar nach deren Todestag, nicht nach deren Hochzeit mit Charles, dachte Seifferheld. Oder wie alt konnten Pekinesen werden?
    »Ein süßer Hund«, meinte Seifferheld sagen zu müssen, obwohl alles unter Kniehöhe für ihn kein Hund, sondern eine Ratte war.
    Das Tier würdigte ihn keines Blickes, sondern sah nur starr zu der Baumgruppe hinter dem Begrenzungszaun des Friedhofs. Wahrscheinlich war ihm seine unwürdige Position bewusst – in einer Handtasche. Onis hätte das nie und nimmer mit sich machen lassen, aber die Handtasche, in die Onis hineinpasste, musste ja auch erst noch gefertigt werden.
    »Hobbys«, wiederholte Seifferheld, weil er – nicht zu Unrecht – vermutete, dass Frau von Gesken seine Ursprungsfrage vergessen haben könnte. »Ging Herr Müllerschön einem Hobby

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