Kreuzstich Bienenstich Herzstich
machten, war es bestimmt auch ein Hochgenuss.
Seifferheld, der durch eine Aussparung am Kopfende der Liege auf die Parkettdielen schaute, war kurz davor, sich in das Leder der Liege zu verbeißen.
Da ging die Tür auf.
»Alles in Ordnung?«
Seifferheld konnte Susanne aus seiner liegenden Position heraus nicht sehen, aber am Klang ihrer Stimme erkannte er, dass sie wie ihre Tante Irmi mit auf den Hüften gestemmten Armen im Türrahmen stehen musste. Wenn sie wütend war, schossen Blitze aus ihren Augen und ihre kurzen, mausbraunen Haare standen in alle Richtungen ab. So musste die Medusa im alten Griechenland ausgesehen haben. Nur, dass Medusa kein Chanel-Kostüm mit Goldknöpfen getragen hatte.
»In dem Fummel sehen Sie alt aus«, konstatierte Olaf.
»Wie bitte?« Susanne verschlug es die Sprache.
»Keine Sorge, Ihrem Vater geht es gut. Ich nenne das meine Urschrei-Therapie.« Olaf grinste.
»Mich erinnert das eher an die Todesangstschreie von Schweinen im Schlachthaus«, konterte Susanne.
»Eine Massage täte Ihnen womöglich auch mal ganz gut«, meinte Olaf frech. Wobei nicht die Worte frech waren, sondern der mitschwingende Unterton.
»Und Sie dürfen sich gern überlegen, was für eine Art von Referenz Sie sich von uns erhoffen, falls wir Ihnen überhaupt eine ausstellen«, klirrte Susanne mit frostiger Stimme.
Patt-Situation.
»Äh …«, fing Seifferheld an, kam aber nicht weit, weil eine glockenhelle Stimme zwitscherte: »Mein Gott, Onkel Siggi, siehst du noch knackig aus für dein Alter.«
»Karina!« Seifferheld wurde schlagartig bewusst, dass er unbekleidet auf der Liege lag.
»Hallo, ich bin Karina, seine Nichte.« Die junge Frau trat auf Olaf zu und reichte ihm die Hand. Sie trug an diesem Nachmittag ein hauchzartes Blümchenkleid und eine fliederfarbene Häkelmütze über den gefärbten Strubbelhaaren, so dass man sie im konservativen Sinne als richtig hübsch bezeichnen konnte. Wenn man von den schwarzen Springerstiefeln an ihren Füßen absah. Sie waren das Einzige, was Seifferheld in seiner Lage wirklich gut sehen konnte.
»Ich bin der Olaf«, sagte der Olaf und warf ein Handtuch über Seifferhelds verlängerten Rücken.
»Gibt es hier was umsonst?«, verlangte eine dritte Frauenstimme aus Richtung Tür zu wissen. »Oder findet hinter meinem Rücken ein Familientreffen statt?«
»Irmgard!« Seifferheld fand es nicht lustig, vor den Augen seines Harems massiert zu werden.
»Ich wollte endlich mal Onkel Siggis Masseur kennenlernen.« Seifferheld hatte keine Ahnung gehabt, dass seine Nichte so feminin gurren konnte.
»Seien Sie doch so gut und bringen Sie nächstes Mal schriftliche Nachweise Ihrer Qualifikation mit«, erklärteSusanne mit strenger Stimme. Sie hatte sich neben Olaf aufgebaut und sah von der schwindelerregenden Höhe ihrer Ferragamo-Pumps auf den zierlichen Masseur hinunter.
»Susanne, warum bist du nicht bei der Arbeit? Karina, hast du nichts für die Fachhochschule zu tun?« Irmgard stand immer noch mit verschränkten Armen in der Tür.
»Dürfte ich um etwas Privatsphäre bitten?«, bat Seifferheld und hob schildkrötenartig den Kopf. Er traute sich nicht, sich aufzurichten, weil das Handtuch auf seinem Hintern wegen der flächendeckenden Duftölschicht keinen wirklich sicheren Halt hatte.
»Worte sind Schall und Rauch, auch wenn sie auf Papier stehen. Ich massiere Sie aber gern einmal probeweise. Dann können Sie sich am eigenen Leib ein Bild machen.« Man hörte das Lächeln in Olafs Stimme.
»Ich glaube, ich kenn dich. Du chillst auch hin und wieder in der U-Bar, stimmt’s«, flötete Karina und lehnte sich auf der anderen Seite von Olaf gegen die Massageliege.
»Impertinent«, fauchte Susanne.
»Hallo, ich habe euch etwas gefragt!«, bellte Irmgard.
Hinter ihr tauchte Frau Pfleiderer auf. »Wie schön, ganze Familie beisammen. Ich uns machen Tee und tauen Kuchen auf. Oh, Herr Siegfried, was Sie sind für ein schöner Mann! Und was für knackige Po!«
Seifferheld seufzte.
Lieber frech lügen als eine schmerzliche Wahrheit sagen – auch wenn man dafür am Schnellkochtopf landet
Im Fernsehen lief
Ein Hund namens Beethoven
.
»Nicht hinsehen, Onis, das ist erst frei ab siebzig Kilo«, scherzte Susanne, als sie das Fernsehzimmer betrat. Sie kniete sich neben dem Hovawart auf den Teppich und kraulte den Hund, den sie zärtlich Wuffschnuff nannte.
»Das Tier haart«, erklärte Irmgard, die in der Ecke unter einer Stehlampe saß und kreuzworträtselte. »Wenn
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