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Kreuzweg

Kreuzweg

Titel: Kreuzweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Broeckhoven
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Menschenhaut. Und es in seine bedruckten Einzelteile zerfiel. Mein zerbröseltes Geheimnis habe ich in einem meiner Gemälde verarbeitet, als papierene Schmetterlinge getarnt, die zwischen bleichen Kindergesichtern und greifenden Händchen umherflatterten. Das Ganze übermalte ich mit den Farben dieser Nacht: Blutrot, Violett, Dunkelblau und Schwarz. Durchädert und befleckt. Für die Außenwelt wurde dieBotschaft unsichtbar, mir aber war sie in die Seele eingebrannt.
    Langsam erholte sich mein Körper. Er schrumpfte in sich zusammen, die Leere fühlte sich nun weniger leer an. Der schneidende Schmerz in meinem Unterleib verzweigte sich, wodurch er erträglicher wurde. Aber er ist nie vollkommen verschwunden.
    Kurz vor dem Ende der Osterferien erzählte mir die Geisha, sie habe mit einer Delegation des Gemeinderats den kleinen Findling besucht. Ein Sparbuch im Gepäck, ein Geschenk der Bürger von E.
    «Hübsches Kerlchen, der kleine Jasper», sagte sie bei Tisch, während sie den Auflauf weiterreichte, «mit seinen Pausbäckchen und den dunklen Haaren … Ich frage mich, wer ihm später wohl einmal seine Vorgeschichte erzählen wird?»
    Sie hatte ihn kurz halten dürfen, wobei er sie mit seinen großen dunklen Augen angesehen hatte. Das heißt, insofern Babys überhaupt schon sehen können.
    Ich nickte, rannte die Treppe hinauf. Meine Brüste liefen über und ein nutzloser Schwall Muttermilch durchnässte mein T-Shirt. Der süßliche Geruch machte mich schwach und wahnsinnig zugleich.
    Aus einem Impuls heraus entschloss ich mich, mein Zimmer neu einzurichten. Ich schob das Bett unters Fenster, wobei die Beine über das Parkett schrammten. Nieim Leben würde ich noch einmal in der vertrauten Ecke schlafen. Niemals wieder wollte ich mit Blick auf das glänzende Schloss wach werden, das ich an jenem Abend vergessen hatte zu verriegeln. Ich stellte meinen kleinen Schreibtisch um und überlegte mir, womit ich die leere Stelle in der Ecke auffüllen konnte. Vielleicht mit einer Pflanze? Oder einer Stehlampe? Während der Sommerferien konnte ich die Wände streichen, ein paar Plattencover aufhängen oder ein Gemälde? Eins meiner eigenen. Wenn ich Oma Gleis’ Haus würde verlassen müssen, sollte dieses Zimmer wieder mein Zufluchtsort werden. Und das würde nur dann gelingen, wenn es mich nicht mehr an früher erinnerte. Wenn es eine neue Einteilung und andere Farben bekam. Wenn der profane Geruch von Farbe den der Scham übertünchen würde. Ich zog mir ein frisches T-Shirt an, legte mich bei offenem Fenster aufs Bett. Eine leichte Brise streichelte mein Gesicht und trocknete sanft meine Tränen.
    Nach einer halbe Stunde war ich wieder so weit gefasst, dass ich mit einem Stapel Bücher unter dem Arm hinunterging. Die Geisha stand im Flur. Ich sagte ihr, ich wolle, sobald ich aus Omas Haus ausziehen müsse, Wandfarbe und ein paar neue Sachen kaufen. Vielleicht wären neue Vorhänge auch keine schlechte Idee. Sie versprach, mir bei der Auswahl der Farben und Stoffe behilflich zu sein. Ich rechnete jetzt mit erbaulichen Worten zum Thema Neuanfang, doch sie berührte mich nur kurz an meinem nackten Arm. «Es wird alles wieder gut», sagte sie nacheiner kurzen Pause «Aber es wird natürlich nie wieder wie früher.»
    Ich musste an mich halten, um mich nicht in ihren Armen zu verkriechen, was mir nur unter dem Vorwand gelang, ich sollte mich mal besser für die Schule vorbereiten.
    «Du schaffst das ganz ohne Zweifel, du bist clever und stark noch dazu. Weißt du denn schon, in welche Richtung du danach gehen willst?»
    Ihre Ermutigungen taten mir gut.
    «Ich denke schon», sagte ich. «Richtung Paris.»
    Und so kam es auch. Nur wenige Wochen konnte ich mein neues Zimmer genießen. Anfang September desselben Jahres brachten mich mein Vater und die Geisha zum Bahnhof. Die Sonne schien, und während sie auf den Zug warteten, setzen sie sich auf die Bank auf Gleis 1.
    «Komm», sagte die Geisha einladend, wobei sie mit der flachen Hand auf die hölzerne Sitzfläche klopfte. «Wir sind viel zu früh.»
    Ich konnte es nicht. Keine zehn Pferde brachten mich dazu, mich auf diese Bank zu setzen. Ich spürte, wie sich meine Beine versteiften und das Blut aus meinem Gesicht wich.
    «
Partir c’est mourir un peu
», sagte mein Vater vollkommen vorhersehbar. «Gehen ist immer auch ein bisschen vergehen.»
    Ich musste mich am Griff meines Koffers festhalten, damit ich nicht ohnmächtig wurde.
    In Paris zog ich bei Familie Blancpain,

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