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Kreuzzüge

Titel: Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnes John
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sechs Jahre subjektiver Zeitrechnung, natürlich. Damals hatte man ihn direkt und ohne Heimaturlaub von der Orbitalstation Arimathea abkommandiert. Folglich kamen neun Jahre subjektiver Zeitrechnung auf Leopold hinzu – ergibt zusammen fünfzehn Jahre. Bezogen auf die Standardzeit war das ein volles Jahrhundert. Er musste daran denken, wie viele Päpste es wohl in der Zwischenzeit gegeben hatte, von denen er noch nicht einmal die Namen kannte. Falls sie vom Mars kam, mit wer weiß wie vielen Zwischenstopps, dann war sie mindestens hundert Jahre unterwegs gewesen. Einerlei, das war nun von untergeordneter Bedeutung …
    Er beugte sich zu ihr hinab und strich ihr mit der Hand über den Kopf. Sie drehte sich um und pustete sich die Haare aus den Augen.
    »Oh, hallo!«
    Hauskyld bemühte sich zu verbergen, dass ihm die Spucke wegblieb. Diese Frau war gewiss nicht älter als dreißig. Zwar fehlten ihm die Vergleichsmöglichkeiten, doch erschien sie ihm als sehr schön. Ihre großen, mandelförmigen Augen glitzerten grün, ihre Wangenknochen waren ausgeprägt, die Nase leicht geschwungen und ihre vollen Lippen …
    »Hallo. Ich bin Bruder Hauskyld Gomez. Mir wurde gesagt, Sie hätten nach mir gefragt?«
    »Ja«, erwiderte sie blinzelnd. »Sie sehen viel älter aus als auf den Fotos, aber das war ja zu erwarten! Entschuldigung, das war sehr unhöflich von mir … Aber ich bin noch nicht ganz wach. Mein Name ist Clio Yeremenko. Welches Jahr haben wir eigentlich?«
    »2891.«
    »Wow! Kein Wunder, dass ich mich so merkwürdig fühle – einhundertundzwanzig Jahre Standardzeit in zwei Jahren subjektiver Zeit, das ist wirklich ein Hammer!« Sie schöpfte tief Luft. »Gibt es hier nichts zu trinken? Wasser oder etwas in der Richtung, ich meine … Äh, wie stuft ihr mich denn ein? Besucher? Gefangene? Oder einfach nur als verdammtes logistisches Problem?«
    »Letzteres auf jeden Fall«, antwortete Hauskyld. Er begab sich zu einem Felsvorsprung, wo eine Kanne mit Wasser stand. Als er das bereitstehende Glas damit füllte, stellte er ein wenig irritiert fest, dass es sich angenehm kühl anfühlte. Sie nahm das Glas hastig entgegen und trank es in einem Zug leer.
    »Wenn man es genau nimmt, hängt es nur von mir ab, wie wir Sie einstufen werden«, erklärte er. Sie setzte sich mit dem leeren Glas in der Hand auf den Boden und wischte sich den Mund ab.
    »Das hat gut getan. Also, welche Möglichkeiten stehen zur Wahl?«
    »Eine gute Frage. Streng betrachtet müsste man Sie als ›Versuchung‹ einstufen. Nach den Regeln des Vatikans sind wir verpflichtet, Sie davon abzuhalten, jemanden in Versuchung zu führen.«
    Clio schnaufte. »Ich, eine Versuchung? Mein Vater hat immer gesagt, man müsste mir eine Maus auf den Bauch setzen, um wenigstens eine Katze für mich zu interessieren.«
    Sie stand auf, warf den Mantel beiseite und strich ihre Tunika glatt. Hauskyld überkam ein sehnsüchtiger Schmerz, als er sich der Wohlproportioniertheit ihrer Kurven bewusst wurde.
    »Meine Brüder nannten mich immer fette Wachtel oder Puddinggesicht.«
    Hauskyld schüttelte den Kopf. »Nicht wahr! In welchem Jahr haben Sie denn den Mars verlassen?«
    »2769, direkt nach der Sonnwendfeier. Warum?«
    »Nun, in 122 Jahren verändert sich so einiges! Hier gibt es einen ganzen Haufen junger Männer, die vor subjektiv 20 Jahren auf Sankt Thaddeus aufgewachsen sind. Zu jener Zeit war Ihr Gesicht und … äh … sagen wir mal, Ihr körperlicher Tonus, gerade groß in Mode!«
    Sie lachte. »Da lande ich als einzige Frau auf einem Planeten und finde gleich ein paar hundert Männer, denen ich gefalle. Aber es sind ausgerechnet alles Mönche! Mann, habe ich ein Glück!«
    Hauskyld konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Bevor Sie sich zu sehr darüber freuen, muss ich Ihnen leider mitteilen, dass wir jeden standrechtlich erschießen, der als ›Versuchung‹ eingestuft wird!«
    Clio schüttelte ihren Kopf. »Kein Problem, ich habe eine amtsärztliche Bescheinigung dabei, aus der schwarz auf weiß hervorgeht, dass ich sterilisiert wurde!«
    Diese Bemerkung schockierte Hauskyld, obwohl er natürlich wusste, dass eine Sterilisation auf den kommunistischen Welten keine Todsünde darstellte. Aber soweit er sich erinnern konnte, hatte er noch nie einen sterilisierten Menschen getroffen. »Das wiegt eigentlich noch schwerer, weil es bei uns als Kapitalverbrechen gilt. Tut mir Leid …«
    »Kapitalverbrechen?« Sie schüttelte wieder den Kopf. »Bringen wir

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