Kreuzzug der Templer
unwürdig war, dann konnte der Sessel zu einer tödlichen Waffe werden.
Der Templer sah ihn in diesen Augenblicken als eine Hoffnung an. Er drückte sich langsam in die Höhe. Eine zu schnelle Bewegung hätte fatale Folgen haben können, so allerdings hielt sich der Schwindel in Grenzen, und er kam sich nicht vor wie jemand, der auf rohen Eiern ging.
Godwin stellte fest, dass ihm die wenigen Schritte gut taten, auch wenn die Prellungen an den Beinen schmerzten. Doch da musste er durch.
Er erreichte den Sessel, ohne dass ihm etwas passierte. Nun ließ er sich nach vorne fallen und stützte sich mit beiden Händen an den Armlehnen ab.
Sie sahen relativ zerbrechlich aus, was aber nicht stimmte. Godwin drehte sich langsam herum, damit er auf dem Gerüst aus Knochen Platz nehmen konnte. Es tat ihm gut, sich hinsetzen zu können, und er atmete zum ersten Mal seit dem Verlassen des Notbetts beruhigt auf.
Jetzt lehnte er sich zurück, um den Widerstand der Rückenlehne zu spüren. Erst dann hatte er die nötige Sicherheit bekommen und war in der Lage, sich zu entspannen.
Er hoffte, dass ihn jetzt niemand störte, denn was er vorhatte, ging nur ihn allein und den Sessel etwas an. Er wollte, dass ihn dieser Knochenthron etwas von seiner Magie und seinem Wissen abgab, das letztendlich der Befreiung seiner Frau diente.
Langsam schloss er die Augen. Godwin sah dabei aus, als wollte er einschlafen. Genau das war nicht der Fall. Wie auch bei der Benutzung des Würfels war höchste Konzentration erforderlich.
Warten.
Auf den Sessel vertrauen. Er musste sich auf seine Art und Weise melden, und Godwin wollte, dass er ihn auf eine Spur brachte, die zu Sophie hinführte.
Er atmete nur langsam und versuchte, alles andere aus seinem Kopf zu verbannen. Seine Arme lagen auf den Lehnen. Die Hände hielten die Knochen umschlossen. Seine Lippen zuckten wie bei einem Menschen, der mit sich selbst sprach.
Perfekt wäre es gewesen, wenn ihn der Sessel genau zu dem Ort gebracht hätte, wo Sophie festgehalten wurde. Es wäre der Festtag in seinem Leben gewesen.
Der Sessel reagierte. Er tat es auf seine Art und Weise und ließ sich durch nichts beeinflussen. Sehr deutlich bekam der Templer den Kontakt zu spüren. In seinem Kopf hörte er das leise Brausen, als wären fremde Gedanken dabei, sich auszubreiten.
Noch war es nichts Konkretes und half Godwin nicht weiter. Aber er gab nicht auf, denn das Brausen hätte ebenso gut eine Ouvertüre für das Kommende sein können.
Dunkelheit lag in seinem Kopf. Aber sie teilte sich. Er hatte das Gefühl, mit geschlossenen Augen in eine Welt zu schauen, in der einzig und allein die Gefühle regierten.
Alles war dort anders.
Kälte. Der Geruch nach Erde. Wie auf einem freien Feld oder auch wie auf einem Friedhof.
Der Sessel gab ihm kein Bild, noch nicht. Aber er kämpfte, und weil dies nötig war, wurde Godwin bewusst, dass ihm eine andere Kraft den Weg streitig machte.
Der Knochensessel kam nicht durch. Er schickte ihm noch immer keine Bilder. Nur mit seinen anderen Sinnen war Godwin in der Lage, das Fremde aufzunehmen. Keine Wärme, nur Kälte, die auch sein Gefühl erreichte und allmählich die Angst in ihm hochsteigen ließ.
Er schluckte. Der Speichel schmeckte bitter. Seine Augenlider zuckten. Ein Zeichen, dass er unter einer starken Spannung litt. Sehr fest umkrampften seine Hände die knöcherne Armlehne, als wollten sie sie zerdrücken.
Der Knochenthron war in der Lage, Godwin dorthin zu bringen, wo dieser sein wollte – zu Sophie! –, aber es stand die andere Kraft dagegen, die das verhinderte. Das spürte der Templer. Diese Gegenkraft wollte auf alle Fälle den direkten Kontakt vermeiden.
Und doch kam er durch.
Er hatte zugleich das Gefühl, wegtransportiert worden zu sein, denn direkt vor seinem Gesicht entstand ein Bild, das ebenso schnell wieder verschwand.
Er hatte es trotzdem gesehen und sich gemerkt.
Ein dunkler Bau, der nach Erde roch. Ein Grab oder etwas ähnliches, und im Mittelpunkt dieser düsteren Szenerie lag Sophie, seine geliebte Ehefrau...
***
Godwin de Salier hatte sich das Bild trotz der Kürze genau eingeprägt.
Es war ein Schock für ihn gewesen. So kannte er seine Frau nicht. Er wollte etwas tun, etwas sagen, sie ansprechen, aber die Szene war verschwunden.
Ein Schrei löste sich aus Godwin’s Mund. Es ging nicht anders. Er musste sich irgendwie Luft verschaffen. Dass der Knochensessel nicht gelogen hatte, stand für ihn fest. Aber er hatte seine
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