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Kreuzzug gegen den Gral

Kreuzzug gegen den Gral

Titel: Kreuzzug gegen den Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Rahn
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eingemauert und starb schließlich ab intestato.
    Mit dieses Belissensohnes Tod konnten auch die entlegensten und unzugänglichsten Sabarthes-Höhlen den Ketzern keinen Schutz mehr bieten. Sollten die Mauern der Höhlenfestung von Bouan, der stärksten Spulga des Sabarthes, die ja den Herren von Chateau-Verdun gehörte, bis dahin standgehalten haben, so mögen sie wohl nach Pons-Arnauds Tod unter den dröhnenden Stößen der Katapulte geborsten sein. Und dann mögen die letzten Cathari in den nur ihnen bekannten unterirdischen »Kaminen« auf die Berge geflohen sein, von wo sie in gastlichere Gefilde wandern konnten, wo die Sonne reiner leuchtet, da kein Rauch von Scheiterhaufen sie verfinstert, und wo die Sterne näher sind, nach denen sie sich sehnten. Bevor sie die Höhlen, die ihnen, den vogelfreien Faydits, so lange Gastrecht gegeben hatten, für immer verließen, zeichnete einer von ihnen einige Zeichen und Worte auf die Höhlenwände:
    Einen Baum des Lebens
    Eine Taube, das Emblem Gott-Geist
    Einen Fisch, das Symbol der lichten Gottheit
    Christogramme in griechischen oder romanischen Lettern
    Das Wort Gethsemane
    Überall wo an fast unauffindbaren Stellen ein Höhlengang sich durch den Kalkfels hinaufwindet zu den sonnenüberstrahlten Berggipfeln, zeichnete er die Paraphe GTS kunstvoll verschlungen, wahrscheinlich eine Zusammenfassung des Wortes Gethsemane, des Gartens, in dem Christus an seine Häscher verraten wurde ...
    Wenn man durch einen solchen Kamin hinaufzusteigen versucht nach der Höhe, wo den Cathari die Freiheit winkte, sperren oft Mauern oder mächtige Felsblöcke, die das kalkhaltige Wasser zu undurchdringlichen Tropfsteinmauern versintert hat, den Weg. Hier haben die Cathari den Inquisitoren und ihren auf ketzerische Menschen abgerichteten Hunden die Verfolgung vereitelt. Niemand hat bis heute das Geheimnis lüften können, das hinter diesen Tropfsteinwänden schlummert. Eine Pyrenäenlegende will wissen, die letzten Cathari seien hier eingemauert worden, als die bewaffneten Predigermönche sie in ihrem unzugänglichen Versteck nicht hatten ergreifen können. Die Sabarthesberge haben bis heute das Geheimnis gewahrt.
    Das gänzliche Verschwinden einer so mächtigen Bewegung, wie sie der Catharismus war, ist so unwahrscheinlich erschienen, daß man vielfach geglaubt hat, die Cagots, jener verachtete »Zigeuner«-Stamm in den Pyrenäen, der in der französischen Provinz Navarra erst im Jahre 1709 und in der spanischen Provinz Navarra erst im Jahre 1818 bürgerrechtlich anerkannt wurde, seien die Nachkommen der Cathari. Auch die Cagots glaubten es zu sein. In einer Bittschrift an Papst Leo den Zehnten ersuchten sie im Jahre 1517 den Heiligen Vater, er möge sie wieder in die menschliche Gesellschaft aufnehmen, da doch die Irrtümer ihrer Väter längst gesühnt seien.
    Im Jahre 1807 bemerken Jäger aus dem Sabarthesdorf Suc auf den einsamen Höhen des Pic du Montcalm, eines der höchsten Pyrenäengipfel, den jahraus jahrein Schnee bedeckt, eine nackte Frau. Statt auf Bären machen die Bauern auf die nackte Frau Jagd, die wie eine Gemse die klaffenden Felsspalten überspringt und an furchtbaren Abgründen vorbeieilt, ohne vom Schwindel gepackt in die Tiefe zu stürzen. Es gelingt ihnen nicht, sie einzufangen.
    Am folgenden Tag erneuern die Jäger, von Montcalm-Hirten unterstützt, die Verfolgung. Es gelingt ihnen, das Wild zu stellen und seiner habhaft zu werden. Man reicht der Frau Kleider, wie sie die Bauernweiber in diesen Bergen zu tragen pflegen. Sie zerreißt sie. Schließlich glückt es, die Hände der Frau zu fesseln, sie mit Gewalt anzukleiden und in das Pfarrhaus von Suc zu schaffen. Dort beruhigt sie sich etwas, betrachtet ihre Gewänder, fällt auf die Knie und bricht in konvulsivisches Weinen aus.
    Ihr hageres fahles Gesicht läßt noch erkennen, daß sie einst sehr schön gewesen ist. Ihr hoher Wuchs und ihre würdigen Bewegungen lassen auf adelige Herkunft schließen. Man bietet ihr ein Zimmer an, in dem sie die Nacht verbringen soll. Am anderen Morgen ist sie verschwunden. Die Kleider hat sie zurückgelassen.
    Einige Tage später entdeckt man sie auf einem der verschneiten Gipfel der Pics de Bassies. So vergeht der Winter ...
    Im Frühling begibt sich der Friedensrichter von Vicdessos mit Gendarmen auf die Höhen des Montcalm. Nach großen Schwierigkeiten gelingt es, die Frau einzufangen. Von neuem bekleidet man sie, gibt ihr zu essen und versucht, ihr das Geheimnis ihres sonderbaren

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