Kreuzzug gegen den Gral
und Schulden machte, nur um Bedürftigen zu helfen. Sein Orden, der - um es nicht unerwähnt zu lassen
- der Inquisition der Dominikaner fast allenthalben feindlich gegenüberstand, hielt treu zu ihm. In den Franziskanerklöstern selbst durfte Bernard seine Reden gegen die Dominikaner halten. Als einmal der Inquisitor Fulco von Saint-Georges mit fünfundzwanzig Reisigen vor die Abtei zog, in der Bernard sich gerade aufhielt, und dessen Auslieferung verlangte, versagten die Franziskanerbrüder ihm den Einlaß, zogen die Glocke und bewarfen die Dominikaner von den Klostermauern aus mit Steinen. Als die Menge, dem Ruf der Sturmglocke Folge leistend, von allen Seiten herbeiströmte, kam der Inquisitor knapp mit dem Leben davon.
Der zündenden Rednergabe Bernards gelang es, die Bürger von Carcassonne dahin zu bringen, daß sie die im Inquisitionsturm Eingemauerten, unter ihnen die letzten noch am Leben befindlichen Ritter von Montse-gur, aus ihren furchtbaren Verließen befreiten und die Register des Inquisitionsgerichtes verbrannten.
Durch das kühne Vorgehen des Franziskanermönches ermutigt, erhoben sich auch andere romanische Städte zu offenem Widerstand gegen die Inquisitoren. Als der Dominikanerbruder Gottfried von Abluses seine Tätigkeit als toulouser Inquisitor grausam und rücksichtslos begann, richteten die Toulousaner eine Klageschrift an den französischen König. Aus Furcht, die kaum gewonnenen Südprovinzen zu verlieren, schickte Philipp der Schöne den Vitztum von Amiens und den Archidiakonus von Lisieux in den Midi mit dem Auftrag, die Klagen der Bevölkerung anzuhören und Übergriffen der Inquisitoren zu steuern. Der Vitztum ließ die Inquisitionsgefängnisse öffnen und alle Eingekerkerten befreien. Überdies verhaftete er mehrere Beamte des heiligen Offiziums. Mit Begeisterung begrüßte das Volk diese Maßnahmen, und eine wahre Inquisitorenverfolgung brach los. Schließlich veranlaßte die Unordnung Philipp den Schönen, sich selbst nach Toulouse zu begeben. Dort veröffentlichte er im Jahre 1304 ein Edikt, in dem er die Revision aller Inquisitorenprozesse verlangte. Er empfing auch den Franziskanermönch Bernard. Der hatte den Mut, vor ihm zu behaupten, selbst der heilige Petrus und der heilige Paulus wären der Ketzerei überführt worden, wenn man sie nach der Methode der Inquisitoren verhört hätte.
Philipp konnte sich aber nicht dazu entschließen, die Inquisition, eine zu wertvolle Unterstützung seiner weltlichen Macht, in seinen Provinzen ganz zu verbieten. Enttäuscht und erbittert zog Bernard Délicieux von Stadt zu Stadt und eiferte gegen die Untätigkeit des Königs. Als die Bürgerschaft von Carcassonne ernsthafte Anstalten traf, sich von Frankreich loszusagen und sich unter den Schutz Ferdinands von Majorka zu stellen, glaubte Philipp der Schöne sein Edikt widerrufen zu müssen und stattete die Dominikaner mit neuen Vollmachten aus. Er ordnete an, daß die Ketzer wie wilde und gefährliche Tiere zu jagen seien und befahl seinen Seneschallen und Offizieren, alle Personen zu verhaften, die ihnen von den Dominikanern angegeben würden.
Von neuem verbreitete sich der Schrecken durch das Land. Mit fürchterlicher Grausamkeit behandelten die Inquisitoren wahre und vermeintliche Ketzer. Falls Zeugen entlastend aussagten, scheuten sie sich nicht, die Register zu fälschen. Die Konsuln von Carcassonne wurden zum Tode verurteilt. Den toulouser Inquisitor Gottfried von Abluses setzten sie wieder in seine Macht ein. Der begann seine Tätigkeit mit der Prüfung, welche Nachkommen von früher Verurteilten noch am Leben seien, denn seiner Ansicht nach mußte die Strafe für Verbrechen nicht nur die Verbrecher selbst treffen, sondern auch ihre Kinder. Der Vitztum von Amiens mußte flüchten. Er begab sich zum Papst, der ihn aber als Ketzer verjagte. Er starb exkommuniziert in Italien. Zwei Jahre nach seinem Tod wurde der Fluch von ihm genommen.
Bernard Délicieux gehörte zu dem Zweige des Franziskanerordens, den man als den der »Spiritualen« zu bezeichnen pflegt. Wir müssen etwas Weiter ausholen.
Dem Stolz und der Grausamkeit seiner Zeit hatte Franz von Assisi die Geduld und die Demut gegenüber stellt. Vollkommene Seelenfreude, lehrte er, bestehe nicht darin, daß man Wunder wirke, Kranke heile, Teufel austreibe, Tote auferwecke oder die ganze Welt bekehre, sondern darin, daß man alle Leiden, Kränkungen, Ungerechtigkeiten und Demütigungen geduldig ertrage und tragen helfe. Wie die
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