Kreuzzug gegen den Gral
gewesen sein muss, hat erkannt, daß Wolframs von Eschenbach's „Parzi-val" eine oft verblüffend enge Anlehnung aufweist an eine iranische, vielleicht sogar von dem Haeresiarchen Manes abgefasste Dichtung, das Pärsiwalnämä, das man als die „Legenda aurea manichea" anzusehen habe. So sei es auch zu erklären, daß die manichäische Lehre von einem heiligen Stein (altpersisch: gohr= Edelstein, al= Glanz), dem Sucher dieses Steines Parzival (altpersisch: reiner Tor) an Wolfram gelangen konnte, und daß dieser deutsche Minnedichter geographische Begriffe und Namen Hochasiens, wenn auch bisweilen missverstanden, in sein Epos aufnehmen konnte. Parzivals Vater Gamuret, beispielsweise könne kein anderer sein als der Urmensch Irans „gaja martan", und Klinschor sei zweifellos der Buddhistenführer Chindschil Zor aus der Stadt Kapischa, die Wolfram Kaps nennt. Diese überraschenden Erkenntnisse darf ich in diesem Rahmen nur andeuten. Die Tatsache aber, daß Herr von Suhtscheck den buddhistischen Wunderstein und -tisch Tschintamani mit
dem heiligen Gral in Beziehung bringt, sei nicht übersehen, erhellt sie doch, daß uns, abgesehen von der gemeinsamen Manichäer- bzw. Katharerthese, mancherlei Verwandtes zu eigen ist. Was allerdings Wolfram's Gewährsmann Kyot anbetrifft, so glaubt mein erudierter „Antagonist" in ihm einen Armenier (Giut) sehen zu dürfen. Die Prämissen für diesen Schluß hat Herr von Suhtscheck leider nicht angegeben.
Wenn nun Wolfram's eindeutige Angabe, die wahre Gralsmäre sei aus der Provence nach Deutschland gelangt, mich nach Romanien führte, so dürfe die Vermutung nicht fern liegen, daß den Katharern Südfrankreichs, die ja Manichäer waren, die Dichtung des Pärsiwalnämä ebenso bekannt war wie den manichäischen Iraniern, und daß dennoch dank der Vermittlung des trouvère Guiot von Provins diese Dichtung Wolfram bekannt wurde. Nichts anderes habe ich ja dargelegt ...
Und nun in diesem Zusammenhang noch eine weitere Bemerkung. Dem Kenner der Gralsmythen im Allgemeinen und Wolfram's „Parzi-val" im Besonderen dürfte es nicht unbekannt sein, daß die Märe vom indischen Priesterkönig Johannes letztlich mit der Gralsmäre verquickt wurden. Eine wohl interessante Erzählung hierzu dürfte eine - von mir berichtete - Pyrenäenlegende bilden, die besagt, Esclarmonde, die Gralshüterin, sei als Taube nach Asiens Bergen geflogen, also der Heimat des Grals und des Priesterkönig Johannes. Nach Indien ist bekanntlich auch Wolfram's Gralskönigin Repanse de Schoye, von mir mit Esclarmonde von Foix gleichgesetzt, gezogen. In diesem König Johannes glaubt übrigens Herr von Suhtscheck - ob mit Recht oder Unrecht, das sei dahingestellt - Zarathustra oder Manes glorifiziert zu sehen.
Tatsache ist nun, daß auch mittelalterliche Dichtungen von einem Kreuzzug gegen ein abendländisches Gralsland gewußt haben müssen. Wie könnte sonst eine dem Gralsmythus verwandte Dichtung von der „wüsten Romanei" sprechen, die von König und Bewohnern verlassen worden, da diese beim Priesterkönig Johannes eine bessere Heimat gefunden. Lesen wir doch eine dichterische Bearbeitung des Presbyterbriefes, die uns in einer Münchner Papierhandschrift aus dem Ende des vierzehnten Jahrhunderts erhalten ist, aber selbst wohl älter sein muß. Dieses Gedicht erzählt von der Romanei König, der von des indischen Johannes Unsterblichkeit gehört hat und deshalb gern in dessen Dienst treten wollte. Mit seinem ganzen Volk zieht er eines Tages zu dem osti-schen Priesterkönig, und wird in dessen Palast der Unsterblichkeit aufgenommen. Der abendländische König bleibt mit den Seinen in dem östlichen Wunderlande. Sein verlassenes Land im Westen heißt fortan die wüste Romanei!
Somit anvertraue ich meinen „Kreuzzug gegen den Gral" dem französischen Volke, das innerhalb der Grenzen seines grossen Vaterlandes die einstige Gralsburg birgt. Ja: Nur die katharische Festung Montsegur in den Ariege-Pyrenäen kann des Grales trutziger Tempel gewesen sein und nicht, wie eine fromme Legende wissen will, das Benediktinerkloster Montserrat unweit Barcelona im Spanischen, auf dem Ignatius von Loyola seine „Exercitia spiritualia" ersann, nachdem er der Welt und seiner Minnekönigin Germaine de Foix, einer Nachkommin der grossen Esclarmonde, endgültig entsagt und sich der Gottesminne, wie er sie sah, geweiht hatte.
Heidelberg, im Jahre 1934 am Johannistag. ( 24.Juni) Otto Rahn
1.) „Ich halte es für angebracht, das
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