Kreuzzug gegen den Gral
Einklang mit der römischen Vulgata aussprachen, die bei Matthäus, Kap. VI Vers 11, sagt: »Panem nostrum su-persubstantialem da nobis hodie«, wurde ihnen von Rom vorgeworfen, sie hätten diese Stelle gefälscht.
Vor jeder Mahlzeit, bei der ein perfectus anwesend war, fand die feierliche Brotbrechung 82 statt. Bevor man sich zu Tisch setzte, betete man das Vaterunser, erbat und erhielt von dem Catharus die Segnung. Dann nahm dieser, wenn es mehrere waren, der Älteste unter ihnen, das Brot, segnete und verteilte es mit den Worten:
»Die Gnade unseres Herrn sei mit euch allen.«
Mit einem solchen an das Frühchristentum erinnernden »Liebesmahl« sollte nicht der Genuß christlicher Gnadenmittel, sondern die geistige Gemeinschaft zwischen Vollkommenen und Gläubigen der Minnekirche versinnbildlicht werden. Wenn zu Zeiten der Verfolgung die Cathari gezwungen waren sich zu verbergen, und wenn sie nicht in der Lage waren, die Gläubigen regelmäßig zu besuchen, so ließen sie durch Boten gesegnetes Brot in die Städte und Dörfer bringen.
Der Catharismus verwarf die römisch-katholische Eucharistie (Wandlung). Er glaubte nicht, daß materielles Brot bei der Weihung eine übernatürliche Wandlung erlebe, daß es also zum Leibe Christi werden könne, der doch ätherisch und scheinbar war. Die Kirche verwarf und verfluchte diese ketzerische Auffassung, obgleich sie selbst die Lehre von der Transsubstantiation noch nicht zum Dogma erklärt hatte. Zu jener Zeit sahen die Kirchenlehrer diesen Begriff selbst noch nicht klar. Die Cathari erkannten wohl des Herren Wort an, daß »wer sein Fleisch ißt und sein Blut trinkt, das ewige Leben haben wird«, fügten aber hinzu, daß »der Geist lebendig macht, daß das Fleisch nichts nütze ist, und daß seine Worte Geist und Leben sind«. Das himmlische, ewiges Leben bringende Brot ist nicht das Brot der Vollkommenen, sondern das Wort Gottes. Der Körper Christi ist weder auf dem Altar noch in den Händen der Priester. Er ist die Gemeinschaft derer, die höchster Minne pflegen: die Minnekirche.
Auch Christi Zeit, die Gott verschleiert,
Vergeht, der Neue Bund zerreißt;
Dann denken Gott wir als den Geist,
Dann wird der ewige Bund gefeiert.
»Der Geist ist Gott!« so schallt es hin mit Macht,
Ein Freudendonner durch die Frühlingsnacht.
Lenau: Die Albigenser
Im vierzehnten und fünfzehnten Kapitel des Johannesevangeliums verspricht Jesus seinen Jüngern, er wolle den Vater bitten, ihnen einen anderen »Helfer« 83 zu schicken (griechisch: parakletos; provengalisch: co-nort = Tröster; auch von Luther mit Tröster verdeutscht): den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, da sie ihn nicht sieht noch erkennt.
Neben Nadal (Weihnachten), Pascos (Ostern) und Pentecosta (Pfingsten) war der Cathari oberstes Fest die Manisola, das Fest des Parakleten (die indische »Mani«, die platonische »Idee«, die lateinische mens).
Ein von den Cathari aus dem Buddhismus übernommenes Symbol des Geistes, der Gott ist, war die Mani, ein leuchtender Edelstein, der die Welt erhellt und der alle irdischen Wünsche vergessen läßt. Die Mani ist das Emblem des buddhistischen Gesetzes, das die Nacht des Irrtums vertreibt. In Nepal und Tibet gilt sie als das Symbol der dhyanibodhisatt-va Avalokitecvara oder Padmapani, der Nächstenliebe.
Im Anfang war Gott, der Ewige, Unergründliche, der tausend Namen hat und der doch ist, der er ist: Gott!
Im Anfang war bei Gott das Wort, der Logos. Sein Vater ist Gott, seine Mutter der Geist, der in Gott ist. Das Wort ist Gott.
Im Anfang war auch der Geist. Er ist die Liebe, mit der Gott das Wort sprach, das Leben und Licht wurde. Der Geist ist Liebe. Der Geist ist Gott. Liebe ist Gott. Liebe ist heller als die Sonne und lichter als der kostbarste Edelstein ...
Das Mysterium der catharischen Manisola kennen wir nicht. Den Folterknechten der Inquisition ist es nicht gelungen, den Cathari das Wissen um die tröstende Liebe, die höchste Minne zu entreißen. Mit den letzten
Ketzern wurde das Geheimnis in den Höhlen von Ornolac begraben! Die Register der Inquisitoren berichten uns nur von dem Consolamen-tum Spiritus Sancti (Tröstung des heiligen Geistes), der feierlichsten Sakramentshandlung des exoterischen Catharismus. Die »Gläubigen« konnten dabei anwesend sein. Gläubige haben in der Folterkammer gesprochen.
Die Cathari verwarfen die Wassertaufe und ersetzten sie durch eine Geistestaufe, das consolamentum 84 . Nach ihrer Ansicht
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