Kreuzzug gegen den Gral
konnte Wasser keine sühnende oder vergottende Wirkung ausüben, da das Wasser Materie ist. Sie wollten nicht glauben, daß sich Gott einer Schöpfung seines Widersachers bediene, um mit dessen Hilfe die Seelen von Satans Joch zu befreien. Sie sagten: ein Mensch, der getauft werden soll, hat Buße getan oder nicht. Wozu dient also im ersteren Falle die Taufe, da dieser Mensch durch die Bezeugung seines Glaubens und seiner Buße schon gerechtfertigt ist. Im zweiten Fall kann die Taufe schon deswegen nichts nützen, da er sie nicht gewünscht und nicht verdient hat. Überdies hat Johannes der Täufer gesagt, er habe mit Wasser getauft, Christus aber werde mit dem heiligen Geiste taufen.
Das Consolamentum war das Ziel, das alle Gläubigen der Minnekirche ersehnten und erstrebten. Es sollte ihnen ein gutes Ende geben und ihre Seele retten. Wenn ein Gläubiger starb, ohne das Consolamentum erhalten zu haben, so glaubten sie, daß seine Seele in einen neuen Körper, bei großen Sündern sogar in den eines Tieres, wandere, bis er einmal in irgendeinem späteren Leben seine Sünden abgebüßt habe und des Conso-lamentums würdig geworden sei, um dann von Stern zu Stern sich Gottes Thron zu nähern.
Deshalb wurde das Consolamentum mit einer Feierlichkeit begangen, die mit der Schlichtheit des catharischen Kultes seltsam kontrastierte. Wenn der Neophyt die lange und schwere Vorbereitungszeit überstanden hatte, führte man ihn an den Ort, wo das Consolamentum erteilt werden sollte. Meistens war dies eine Höhle in den Pyrenäen oder dem Schwarzen Gebirge (Montagne Noir, zwischen Castres und Carcassonne). Zahlreiche Fackeln waren längs der Wände befestigt. In der Mitte des Saales stand der »Altar«, auf dem das neue Testament lag. Vor Beginn der Feierlichkeit wuschen sich alle Vollkommenen und Gläubigen die
Hände, daß keinerlei Entweihung die Reinheit des Ortes störe. Alle Versammelten stellten sich in einem Kreis unter strengstem Stillschweigen auf. Der Neophyt stand in des Kreises Mitte, in geringem Abstand von dem Altar. Der als Priester fungierende perfectus eröffnete die Sakramentshandlung damit, daß er nochmals den zu konsolierenden Gläubigen in die catharischen Doktrinen einführte und ihm warnend die Gelübde, in Zeiten der Verfolgung auch die zukünftigen Gefahren, die er auf sich zu nehmen habe, vorhielt.
War der Aufzunehmende verheiratet, so wurde seine Ehefrau gefragt, ob sie bereit sei, den Ehebund zu lösen und ihren Gatten Gott und dem Evangelium zu schenken. Erteilte man einer Frau das Consolamentum, so wurde diese Frage an den Ehemann gestellt.
Dann fragte der Priester den Gläubigen:
»Bruder, willst du unseren Glauben annehmen?«
»Ja, Herr.«
Dann kniete der Neophyt nieder, berührte mit seinen Händen den Boden und sagte: »Segnet mich.«
»Gott segne dich.«
Dies wurde dreimal wiederholt, und jedesmal näherte sich der Gläubige dem Priester etwas mehr und fügte beim drittenmal hinzu:
»Herr, bittet Gott, daß er mich Sünder zu einem guten Ende führe.«
»Gott segne dich, mache aus dir einen guten Christen und führe dich zu einem guten Ende.«
Dann folgte die feierliche Verpflichtung des neuen Bruders:
»Ich verspreche«, sagte er immer noch kniend, »mich Gott und seinem Evangelium zu weihen, nie zu lügen, nie zu schwören, nie eine Frau zu berühren, kein Tier zu töten, kein Fleisch zu essen und nur von Früchten zu leben. Ich verspreche weiterhin, nie ohne einen Mitbruder zu reisen, zu wohnen oder zu essen und, falls ich in die Hände unserer Feinde falle oder von meinem Bruder getrennt bin, mich drei Tage lang jeder Nahrung zu enthalten. Und dann verspreche ich noch, nie meinen Glauben zu verraten, welches auch der mir angedrohte Tod sei.«
Dann bat er noch dreimal um die Segnung, während der alle Anwesenden auf die Knie fielen. Dann ging der Priester auf ihn zu, reichte ihm die Bibel zum Kuß und legte sie auf sein Haupt. Daraufhin traten alle
Vollkommenen zu ihm. Die einen legten ihre rechte Hand auf sein Haupt, die anderen auf seine Schulter. Und alle Versammelten sprachen: »Beten wir an den Vater, den Sohn und den heiligen Geist.«
Dann flehte der ministrierende Priester zu Gott, er möge über den neuen Bruder den heiligen und tröstenden Geist kommen lassen. Die Versammlung sprach das Vaterunser und der Priester las die siebzehn ersten Verse des Evangeliums Johannis. Dem konsolierten Bruder wurde ein geflochtener Strick umgelegt, den er fortan stets tragen
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