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Kreuzzug gegen den Gral

Kreuzzug gegen den Gral

Titel: Kreuzzug gegen den Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Rahn
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Wenn man seinen Nächsten liebt wie sich selbst, darf man aber auch seinem Nächsten keinen Trennungsschmerz zufügen. Für den Schmerz, den man anderen bereitet, muß man im Jenseits dadurch büßen, daß die Vergottung von Stern zu Stern (von Stufe zu Stufe des Läuterungsberges, wie Dante sagt) 87 verzögert wird, daß man also, die Gottheit erfassend, das Getrenntsein von ihr nur noch schmerzlicher empfinden wird.
    Fünf Arten Freitod wurden von den Cathari bevorzugt: sie nahmen Gift, sie hungerten sich zu Tode, sie öffneten sich die Pulsadern, stürzten sich in eine Schlucht oder legten sich im Winter nach einem heißen Bad auf kalte Steinfliesen, um eine Lungenentzündung zu bekommen. Die war für sie stets eine Krankheit mit tödlichem Ausgang. Kranke, die sterben wollen, können vom besten Arzt nicht gerettet werden.
    Ein Catharus sah immer den Tod auf dem Scheiterhaufen vor sich und erachtete in dieser Welt die Hölle. Da er nach dem Empfang des Conso-lamentums ohnehin für diese Welt gestorben war, konnte er sich sehr gut »sterben lassen«, wie man damals zu sagen pflegte, um dieser Hölle und den Scheiterhaufen zu entgehen, die in ihr für ihn brannten.
    Wenn Gott gütiger und verständnisvoller ist als die Menschen, sollte da den Ketzern im Jenseits nicht das zuteil geworden sein, was sie ersehnten, was sie mit grausamster Selbstüberwindung, konsequentester Willensstärke und - wie wir noch sehen werden - mit unerhörtem Heroismus wollten? Sie wollen Vergottung im Geist. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich, also: sein Leben nach dem Tode!
    Die das Consolamentum erhalten hatten, waren fortan »Vollkommene«. Nur ihnen stand, wie wir bereits gesehen haben, der Name »Catharus« zu. Man nannte sie auch »Gutmänner«, »Weber« oder »Tröster«. Ihr Leben in der Einsamkeit war streng und eintönig und wurde nur unterbrochen, wenn sie durchs Land wanderten, um zu predigen, die Gläubigen zu betreuen und das Consolamentum denen zu erteilen, die seiner verlangten und würdig waren. Sie versagten sich jeglichen materiellen Besitz und gehörten sich nicht mehr selbst, sondern mit Leib und Gut der Minnekirche. Eingebrachtes Gut und Stiftungen verwaltete und verwendete diese im Dienste der Nächstenliebe. Der Cathari Leben war nur eine Folge von Entbehrungen und Verzichten. Sie entsagten nicht nur allen Familien- und Freundschaftsbanden, sie mußten auch dreimal jährlich vierzig Tage lang fasten und wöchentlich an drei Tagen nur von Wasser und Brot leben.
    »Wir führen«, sagten sie einmal, »ein hartes und unstetes Leben. Wir fliehen von Stadt zu Stadt, gleich Schafen unter Wölfen, leiden Verfolgung wie die Apostel und Märtyrer und wollen doch nur fromm, streng und enthaltsam leben und nur beten und arbeiten. Aber das alles bekümmert uns nicht, denn wir sind nicht mehr von dieser Welt.«
    Wer sein Leben auf dieser Welt hasset, der
    wird's erhalten zum ewigen Leben.
    Joh. XII, 25
    Es war ihnen verboten zu töten, selbst einen Wurm. Die catharische Lehre von der Seelenwanderung 88 untersagte ihnen das. Nie durften sie deswegen am Krieg teilnehmen. Erst als die Verfolgungszeit über Romanien hereingebrochen war, irrten sie nachts über die Schlachtfelder, pflegten Verwundete und gaben Sterbenden das Consolamentum. Sie waren auch kundige Ärzte und standen in dem Ruf, unfehlbare Astrologen zu sein. Die Inquisitoren gingen so weit, zu behaupten, es habe in ihrer Macht gestanden, Winde zu lenken, Wellen zu besänftigen und Gewitter zu verjagen. Die Cathari kleideten sich in lange schwarze Gewänder zum Zeichen der Trauer ihrer Seele über den Aufenthalt in der Erdenhölle, bedeckten ihr Haupt mit einer persischen Tiara, ähnlich der breiten barreta der heutigen Basken und trugen auf ihrer Brust eine Lederrolle, die das Evangelium Johannis enthielt. Im Gegensatz zu den langbärtigen, tonsurierten Mönchen waren sie bartlos und ließen ihre Haare bis auf die Schultern fallen.

DIE TREVRIZENT-HÖHLEN BEI DER FONTANE LA SALVASCHE
    Wir haben früher beschrieben, wie die Cathari in den Höhlen des Sabar-thes ihre Eremitagen und Gotteshäuser hatten und haben die Fabel von Herakles, Pyrene und Bebryx gehört, die sich um vier Tropfsteine der Ketzerkathedrale von Lombrives spinnt. Wir werden noch sehen, daß nach spanischen Romanzen in der »verzauberten Höhle des Herakles« ein Schlüssel zum Gralsgeheimnis lag. Zuvor wollen wir andere Höhlen des Sabarthes betreten, nicht minder geheimnisvoll, um dann

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