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Kreuzzug gegen den Gral

Kreuzzug gegen den Gral

Titel: Kreuzzug gegen den Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Rahn
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Engel und nur deswegen heißt er Gottes Sohn. Wenn Jesus gesagt hat, er sei nicht von dieser Welt, sondern von oben, so bezogen die Cathari diese Stelle des Neuen Testamentes nicht nur auf die geistige Natur des Heilandes, sondern auch auf seinen Körper. Mit diesem ätherischen Körper ist der Äon Christus in den Körper der Maria eingegangen und zwar, als Gottes Wort, durch ihr Ohr. So rein wie er in sie eingegangen und ohne irgend etwas Stoffliches von ihr angenommen zu haben, hat er sie wieder verlassen. Aus diesem Grunde hat er sie nie Mutter genannt und deshalb hat er ihr gesagt: »Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?«
    Die Cathari erkannten die Realität der Wunder Jesu nicht an. Wie hätte er körperliche Leiden heilen können, da er doch den Körper als Hindernis für die Erlösung der Seele betrachtete? Wenn er Blinde heilte, so heilte er Menschen, die vor Sünde blind waren und ließ sie die Wahrheit sehen. Das Brot, das er an die Fünftausend verteilen ließ, ist sein wahres Leben gebendes Wort, das Brot der Seele. Der Sturm, den er stillte, ist der Sturm der Leidenschaften, die Luzifer aufjagt. Hier gilt das Wort Christi, daß der Buchstabe tötet, der Geist aber belebt.
    Weil Christi Körper unirdisch war, war seine Kreuzigung nur Schein, und nur deshalb war seine Himmelfahrt möglich. Eine Himmelfahrt mit einem Körper aus Fleisch und Bein erschien den Cathari absurd. Ein menschlicher Körper kann nicht in den Himmel kommen, ein Äon kann nicht sterben. 77
    Ein Beispiel habe ich euch gegeben, daß ihr tut, wie ich euch getan habe.
    Joh. XIII, 15
    Für die ketzerischen Romanen stellte die Leidensgeschichte Christi nur den grandiosen Mythus vom vergottenden »Liebesopfer« dar.
    Der volle Christus ist erschienen nicht auf Erden,
    Sein göttlich Menschenbild muß noch vollendet werden.
    Einst wird das Heil der Welt, Erlösung sich vollbringen,
    Wenn Gott und Mensch im Geist lebendig sich durchdringen.
    Mag auch das Jesusbild, der Widerschein der Sinnen,
    Im regen Strom der Zeit verzittern und zerrinnen;
    Wenn alle Zeugnisse von Jesus auch zerschellten,
    Der Gottmensch ist der Kern, das Herzlicht aller Welten.
    Lenau: Die Albigenser
    Der romanische Catharismus wollte eine Philosophie, eine Religion, eine Metaphysik und ein Kult zugleich sein. Als Philosophie ist er das Resultat einer Spekulation der Beziehungen zwischen Gott und der Welt, zwischen dem Guten und dem Bösen. Aber aus diesem philosophischen System machten die catharischen Troubadoure eine wahre Mythologie.
    102
    Nach dem dualistischen System der Albigenser ist der Gegensatz zwischen Gut und Böse nicht ewig. Es wird einen Jüngsten Tag geben, an dem der Sieg Gottes über Luzifer, des Geistes über den Stoff vollendet wird. Dann wird Luzibel, reumütig wie der verlorene Sohn, zu seinem Schöpfer und Herrn zurückkehren. Alle Menschenseelen werden wieder zu Engeln werden. Es wird also der Zustand vor dem Sturz der Engel wiederhergestellt. Da das Reich Gottes ewig ist, wird die Seligkeit ewig sein. Da alle Seelen wieder in Gott eingehen, gibt es keine ewige Verdammnis, die ja mit der absoluten Liebe Gottes unvereinbar wäre. 78 Wir sehen also, daß der catharische Dualismus sich an die metaphysischen und religiösen Mysterien des Pythagoräismus, Orphismus und Mazdaismus anlehnte. Und doch betonten die romanischen Ketzer immer wieder, Christen zu sein. Sie waren es auch, befolgten sie doch Christi oberstes Gebot:
    Das gebiete ich euch, daß ihr euch untereinander liebet.
    Dabei wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger
    seid, so ihr Liebe untereinander habt.
    Joh. XV, 17; XIII, 35
    Die Kluft zwischen dem Catharismus und dem Christentum Roms, Wittenbergs und Genfs war allerdings sehr groß, denn ohne ausgesprochen ditheistisch zu sein, war er doch nicht monotheistisch. Von der Heiligen Schrift verwarf er, wie wir gesehen haben, das Alte Testament grundsätzlich, und Jesus Christus war nicht der jüdische Jesus aus Nazareth und Bethlehem, sondern der von göttlichem Glorienschein verklärte Heros einer Mythologie.
    Die catharische Moral, wie rein und streng sie auch war, war ebenfalls nicht die des Christentums, denn dieses verlangt keineswegs die Abtötung alles Körperlichen, die Verachtung der irdischen Schöpfung und die Auflösung aller weltlichen Bande. Die Cathari wollten mit Hilfe von Einbildungskraft und Willensstärke auf Erden eine allgemeine Vollkommenheit erreichen und spiritualisierten deshalb aus Furcht, sich in dem

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