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Kreuzzug gegen den Gral

Kreuzzug gegen den Gral

Titel: Kreuzzug gegen den Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Rahn
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unabwendbaren Gesetz wurde Romanien und sein Tabor von Haß und Fluch überflutet. Nach einem unabwendbaren Gesetz wurde die höchste Minne der Cathari von den Machthabern der Welt mit stärkstem Haß vergolten!
    Es waren, die den Vater auch gekannt;
    Wo sind denn die? - Eh, man hat sie verbrannt.
    Goethe: Der ewige Jude
    Die »reine« Lehre machte in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts einen wahren Siegeszug durch die romanischen Provinzen Südfrankreichs. Ritterschaft, Bürgertum und selbst der Klerus sahen nur noch in den Gutmännern die Verkünder des wahren Evangeliums, und es hätte nicht viel gefehlt, so wäre Roms Machtstellung in der Provence, der Languedoc und der Gaskogne endgültig untergraben worden.
    Nie und nimmer konnte ein Land mit mehr Recht sich geistiger Freiheit und religiöser Duldsamkeit rühmen als Romanien. Alle Meinungen durften sich unbeengt zu Wort melden, alle Glaubensbekenntnisse waren gleichberechtigt und Klassengegensätze gab es so gut wie nicht. Wir kennen bereits die Voraussetzungen, unter denen man chevalier werden konnte ...
    Das ritterliche Leben blühte hier wie nirgendwo, und Romaniens Ritter waren im heiligen Land und Tripolis, das ja nur eine romanische Provinz war, genau so zu Hause wie im Roussillon oder in Toulouse. Aber mehr aus Abenteuerdrang als religiösem Enthusiasmus zogen sie ins Morgenland und brachten fast alle von dort statt frommer Erbauung zumeist eine unauslöschliche Erinnerung an den Glanz, die Mystik und das Sinnenleben des Orients mit. Hinzu kam, daß die Kirche eine geistige und weltliche Hörigkeit verlangte, die den Romanen mit ihrer Ehre und ihrem Freiheitsstolz unvereinbar schien. Fast alle Barone und Ritter des Landes waren catharische »Gläubige«, die die »Vollkommenen« in ihren Burgen ehrfurchtsvoll empfingen, sie bei Tisch selbst bedienten und ihnen die Erziehung ihrer Kinder anvertrauten. 102 Was die Lage in den romanischen Städten betrifft, so hatten die Bürger nach langem und lebhaftem Kampf gegen das Feudalrittertum schließlich ihre Selbständigkeit und Freiheit errungen. Mit wachsendem Erfolg verteidigten sie, durch regen Handel mit den orientalischen Häfen reich und stolz geworden, ihre munizipalen Freiheiten. Sie ahmten die Sitten der Adligen nach, wetteiferten mit ihnen in Höfischkeit und Bravour, waren Dichter wie sie, und konnten »Ritter« werden, wenn sie nur wollten. Auf ihre Unabhängigkeit bedacht, lehnten sie den Einfluß der Kleriker wie den der weltlichen Herren ab, teilten aber mit den letzteren die Abneigung gegen die Kirche und ihre Priester.
    Eines Tages wurde der Bischof von Albi an das Sterbebett eines Ver-wandten gerufen. Er fragte den Sterbenden, in welchem Kloster er beigesetzt werden wolle. »Macht Euch deswegen keine Sorge. Ich möchte bei den Gutmännern sterben und von ihnen bestattet werden.« Der Bischof erklärte, dazu werde er seine Genehmigung nicht geben. »Hielte man mich zurück, sagte der Todkranke, »so schleppte ich mich doch auf Händen und Füßen zu ihnen.« So geschah es auch. Die Gutmänner pflegten, »trösteten« und bestatteten den Verwandten des Bischofs von Albi ...
    Die Entsittlichung der Kirche trug zweifellos die Hauptschuld an der »Los-von-Rom«-Bewegung Romaniens. Viele Bischöfe besuchten ihre Diözesen nur noch, um willkürlich auferlegte Kirchensteuern einzuziehen und hielten sich zu diesem Zweck eine Armee von Wegelagerern. Die Unordnung unter der Priesterschaft war unbeschreiblich. Man bekämpfte und exkommunizierte sich gegenseitig. Um nicht erkannt zu werden, verbargen die Priester ihre Tonsur und trugen weltliche Kleidung. Konnten sie auch den Blicken und den Spottreden der Leute von der Straße entgehen, so vermochten sie doch nicht die Rügelieder der Troubadoure zum Schweigen zu bringen:
    Nahe sind die Zeiten schon, wo die Welt sich ganz verkehrt, zum Tournier der Pfaffe geht und das Weib die Predigt hält.
    Peire Cardinal 103
    Predigte ein Ketzer, so strömte das Volk herbei und hörte ihm begeistert zu. Ergriff aber ein römischer Priester das Wort, so wurde er spöttisch gefragt, wie er dazu käme, das Wort Gottes zu verkünden ...
    Die Kirche gab übrigens zu, daß die Fortschritte der Ketzerei durch Pflichtvergessenheit und Entsittlichung des Klerus gefördert wurden. Papst Innocenz III. erklärte, »an der Verderbnis des Volkes trage die Geistlichkeit die Hauptschuld und hieraus entsprängen die Übel des Christentums ...« Um die Sekten mit Erfolg zu

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