Kreuzzug gegen den Gral
und Urkulturen noch lebendig fanden, die Haine und Quellen, denen sie Lieder und Gebete abzulauschen wußten, waren den Romanen heilig! Der Tabor war ihr großes Nationalheiligtum.
Auf Schritt und Tritt begegnet man heute noch eindeutigen Spuren dieser grandiosen Kultur. Der Boden der Sabarthäs-Höhlen birgt fossile Gebeine, Mammutknochen, Geräte der Steinzeit als Spuren des Urmenschen, neben griechischen Vasen, phönizischen Glasarbeiten und kelti-berischem Bronzeschmuck. Auf den weißen Felswänden leuchten vorgeschichtliche Zeichnungen auf, warten geheimnisvolle Runen auf den, der sie zu entwirren weiß. Auf den Berghöhen verdecken Gestrüpp und Domen gewaltige Reste von Städten und Tempeln.
Im zwölften und dreizehnten Jahrhundert hüteten statt der Druiden und Barden die Cathari und Troubadoure den »Parnaß« Romaniens, den im vierten Jahrhundert die Priscillianer zum »Tabor« umgetauft und dem heiligen Bartholomäus geweiht hatten, dem Apostel Indiens und Persiens. Aus dem heiligen Berg Abellios war der Tabor der göttlichen Dreifaltigkeit geworden. Der Pic du Saint-Barthelemy, der Pic du Sou-larac und der Pog von Montsegur symbolisierten den Agnostos, den Demiurgos und den Parakleten, die göttliche Trinität.
Um den Druidensee wandelten die Cathari und erzählten den Neophy-ten von dem Goldschatz, den ihre Ahnen versenkt hatten, Spiritualisten und Verächter des Goldes wie sie. Im Schatten eines Menhirs oder auf einem Cromlech als Sitz sprachen sie zu ihnen von dem Gral.
Der Wünsche Füll' und Paradies:
Das war der Gral (vor dem ein Nichts Der Erdenglanz), der Stein des Lichts.
Wolfram von Eschenbach
Vielleicht erzählten die Reinen ihren andächtigen Schülern die heute noch in der Provence und Languedoc allgemein bekannte Legende, daß Lazarus, Martha, Maria Magdalena und Dionysios Areopagita den Gral nach Marseille gebracht, und daß Maria Magdalena ihn bis zu ihrem Tode in einer bei Tarascon gelegenen Höhle gehütet habe.
Höchste Minne macht die Menschen zu Dichtern und die Dichter wieder zu Gottes Kindern - zu Söhnen der Musen, deren Anführer Apollo, Artemis' Bruder war. Beten ist Dichten. Sind nicht Himmel und Götter Erfindungen der in den Menschen schlummernden Sehnsucht nach einem Paradies?
Troubadoure, Ritter und Damen, die nach Montsegur hinaufgingen, um dort den »Kuß Gottes« zu erwarten, wie der Talmud den Schnitter Tod nennt, lebten fortan in einem riesigen Kloster, dessen Tore von trutzigen Burgen geschützt wurden, dessen Mauern die Felswände des Tabor, dessen Dach der Azur, dessen Kreuzgänge Höhlen und dessen »Münster« die Kathedrale von Lombrives war.
Die Minnekirche war das religiöse Ebenbild des romanischen Minnereiches, deren leys d'amors durch einen Falken vom Himmel auf die Erde
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gebracht worden sein sollen, und der Gral fiel vom Himmel auf die irdische Welt, als Luzifer von Gottes Thron verstoßen wurde: zwei vom Himmel der Erde geschenkte Symbole der weltlichen und der religiösen Minne.
Die Minnegesetze stellten als obersten Satz auf, daß Minne körperliche Liebe und Ehe ausschließe. Minne ist ein Bund der Seelen und Herzen. Liebe ist eine Leidenschaft, die im sinnlichen Genusse schnell vergeht. Der Catharismus verlangte als Hauptbedingung für »vollkommenes« Leben Keuschheit. Höchste Minne ist ein Bund der Menschenseele mit Gott-Geist. Mit fleischlicher Liebe sterben Gottverbundenheit und Gottschauen.
Man könnte das Gedicht des Troubadours Wilhelm von Montanhagol, das wir zur Erläuterung des romanischen Minnebegriffs diesen Blättern vorausgesetzt haben, folgendermaßen auf die Minnekirche übertragen: Menschen sollten reinen Herzens sein und nur an höchste Minne denken, denn die höchste Minne ist keine Ketzerei, sondern oberste Tugend, die Menschen zu Gottes Kindern macht.
Troubadoure waren die Gesetzgeber der leys d'amors. Das Minnegesetz der romanischen Minnekirche war das Evangelium des Jüngers, den der Herr lieb hatte:
Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch untereinander liebet, wie ich euch geliebt habe.
Und ich will den Vater bitten, und er soll euch einen anderen Tröster geben, daß er bei euch bleibe ewiglich.
Joh. XIII, 15. XIV, 16
Zwei Männer an der Heeresspitze reiten:
Abt Arnald, den der Papst zum Haupt gesandt, Graf Simon, den die Ritterschaft ernannt.
Dem Kreuzeszug als Feldherr vorzustreiten.
Ein schrecklich Paar! der eine kalt und klug,
Der andre rasch wie sturmgejagte Flammen.
So reiten Arnald und Simon
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