Kreuzzug gegen den Gral
ihn an den Papst. Ramons Neffe, der junge Ra-mon-Roger aus dem Hause der Trencavel, rät ihm, sich zu äußerstem Widerstand zu rüsten. Aber Raimon hat den Mut verloren. Er schickt Eilboten an den Vatikan mit der Kunde, er wolle sich dem Machtspruch der Kirche unterwerfen. Innocenz verlangt, er solle ihm zuvor seinen guten Willen durch die Übergabe seiner wichtigsten Festungen beweisen, dann wolle er ihn anhören und vom Banne lossprechen, falls er seine Unschuld beweisen könne. Raimon nimmt diese Bedingung an. Er ahnt nicht, daß der Papst ihn solange mit gespielter Milde behandeln will, bis der Augenblick zu seiner Vernichtung gekommen ist.
Raimon übergibt sieben seiner stärksten Schlösser dem päpstlichen Legaten Milo, der sie seinerseits der Obhut von Äbten und Bischöfen anvertraut, und schwört dem Papst und dessen Legaten unbedingte Unterwerfung.
Nackt bis zum Gürtel schwört er im Vorhof der Kirche von Saint-Gilles nochmals, fortan der Kirche zu dienen, die Ketzerei auszurotten, alle Juden aus ihren Ämtern zu entlassen und selbst am Kreuzzug teilzunehmen. Dann peitscht der Legat des Grafen Rücken mit Ruten und führt den Büßer zum Altar, wo er ihn im Namen des Papstes vom Banne losspricht. Und dann nimmt der Graf von Toulouse das Kreuz gegen seine eigenen Vasallen ...
Im Juli 1209 schreibt Innocenz der Dritte einen Brief an Raimon, in dem er ihn zu seiner Unterwerfung und Buße beglückwünscht und ihm das zeitliche und ewige Heil in Aussicht stellt. Derselbe Kurier bringt aber auch einen Brief an den Legaten Milo mit dem Befehl, den Grafen weiter zu peinigen.
»Weil es ihm inzwischen nicht gelungen sei, die Ketzer auszurotten«, wird der Graf von Toulouse sechzig Tage später von neuem exkommuniziert und werden seine Besitzungen von neuem mit dem Interdikt belegt.
Nun schart sich in Lyon ein Kreuzzug zusammen, wie ihn die Welt bis jetzt noch nicht gesehen hat. Die Zusicherung der Kirche, daß alle Kreuzfahrer sich das ewige Leben erkämpfen und mit reicher Beute beladen vierzig Tage später wieder nach Hause zurückkehren können, hat ihre Wirkung nicht verfehlt.
In Lille nimmt ein Dieb das Kreuz, um der drohenden Verhaftung zu entgehen, wird aber im letzten Augenblick festgenommen. Wegen dieses Angriffs auf die Immunität der Kreuzfahrer exkommuniziert der Erzbischof von Reims die Gräfin Mathilde von Flandern und belegt ihr Land mit dem Interdikt, um die Freigabe des Albigenserpilgers zu erzwingen.
Aus allen Teilen des Abendlandes ziehen immer neue Rekruten nach Lyon: aus der Ile de France, Burgund, Lothringen, dem Rheinland, aus Osterreich, Friesland, Ungarn und Slavonien. Das ganze Abendland, die ganze Christenheit will gegen die Provence und gegen die Languedoc ziehen, um ein Ärgernis, dessen Lösung schon drei Generationen hindurch allen Anstrengungen ihrer Kirche getrotzt hatte, endgültig und für immer zu beseitigen.
Am 24. Juni des Jahres 1209 verläßt der Kreuzzug Lyon und zieht rho-neabwärts gegen Romanien: zwanzigtausend Ritter, mehr als zweihunderttausend Städter und Bauern, den Klerus und das Bürgertum nicht eingerechnet.
Aber welcher Wirrwarr in dieser Armee Jesu-Christi ...
Ihr voran reitet der finstere unversöhnliche Erzabt von Citeaux, der »Führer der christlichen Streitmacht gegen die albigensischen Ketzer«. Einem apokalyptischen Reiter gleich jagt er in flatternder Mönchskutte in das Land, das seinen Gott nicht anbetet. Ihm folgt das »dies irae« singende Heer von Erzbischöfen, Bischöfen, Äbten, Priestern und Mönchen. Neben den Kirchenfürsten reiten die weltlichen Fürsten in ihren gleißenden Rüstungen aus Stahl, Silber und Gold. Dann kommen die Raubritter mit ihren verwahrlosten Reisigen: Robert Ohnehabe, Guy Trinkkeinwasser und wie ihre Namen alle hießen. Und dann die Städter und Bauern, und dann zu tausenden und abertausenden Europas lichtscheues Gesindel: die ribautz (Hurenknechte), die truands (Leichenfledderer) und, in den Venustempeln auf vier Rädern, die Dirnen aus aller Herren Länder ...
Ich will weitere Einzelheiten verschweigen ...
In einer Kundgebung vom 1. September 1883 erklärte Papst Leo XIII. 116 die Albigenser hätten die Kirche mit Waffengewalt umstürzen wollen, die Kirche sei aber nicht durch Waffen, sondern durch die Fürbitte der durch die dominikanische Erfindung des Rosenkranzes gewonnenen Heiligen Jungfrau gerettet worden.
Dem war nicht so. Begleiten wir mit den Chronisten Wilhelm von Tu-dela und Peter von
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