Kreuzzug gegen den Gral
Vaux-Cernay, begeisterten Anhängern des Albigenserkreuzzuges, Christi Soldaten nach Romanien bis in die wildesten Täler der Pyrenäen, bis in die dunkelsten Höhlen, in denen nur Tod herrscht.
Aber werden wir uns zuvor über eines klar: der Albigenserkreuzzug trägt, trotz seiner religiösen Beweggründe, trotzdem er von dem Vatikan vom Zaune gebrochen wurde, in erster Linie den Charakter eines Krieges zwischen Nord- und Südfrankreich. Die Nordfranzosen brennen darauf, die siebenhundert Jahre vorher von Chlodwig begonnene Eroberung zu vollenden, und die Südfranzosen, Katholiken wie Ketzer, sind einmütig entschlossen, dem Einfall Widerstand zu leisten, trotz der vielen Unterpfänder, die Adel und Städte gegeben haben. Zwischen den südfranzösischen Katholiken und Ketzern war durchaus kein Religionshaß. Ketzer und Katholische (ich spreche natürlich nicht von dem Klerus) lebten bis dahin friedlich nebeneinander. Wir hören höchst selten von einer Hilfe, die den Kreuzfahrern seitens der orthodoxen Bewohner Romaniens (es ist wieder nur von den Laien die Rede) zuteil wurde. Und doch hätte man annehmen sollen, daß diese die Kreuzfahrer als Befreier von der Herrschaft oder der Gewalt eines verhaßten, feindlichen Glaubens hätten willkommen heißen müssen. Den Romanen war die jahrhundertelange Toleranz zur Gewohnheit geworden und die Heimatliebe war stärker als Glaubensgegensätze ...
Ramon-Roger aus dem Hause Trencavel, der junge Vicomte von Beziers und Carcassonne, reitet dem Kreuzzug entgegen. Er will das Unheil von seinen beiden Städten abwenden. Unverrichteter Dinge muß er wieder heimreiten. In Beziers umringen ihn seine Untertanen:
»Besteht Hoffnung?«
»Kämpft auf Leben und Tod! Gott sei mit euch!«
Und er jagt weiter nach Carcassonne ...
Beziers erwartet den Kreuzzug 117 . Ein Feuer und Verderben speiender Lindwurm wälzt sich heran ...
Ein greiser Priester begehrt Einlaß in die Stadt. Es ist Reginald von Montpeyroux, ihr Bischof, der zum Kreuzzug übergegangen war. Die Glocken rufen die rechtgläubigen Einwohner in die Kathedrale, von Meister Gervasi im romanischen Stil erbaut.
»Der Kreuzzug rückt heran«, sagt der greise Priester, »übergebt uns die Ketzer, denn sonst werdet ihr alle umkommen.«
»Unsere Brüder verraten? Lieber wollen wir im Meer ertränkt werden!« Der Bischof reitet auf seinem Maulesel aus der Stadt. Die unerwartete
Antwort versetzt den Erzabt von Citeaux in einen solchen Zorn, daß er schwört, Ketzer und Katholiken mit Feuer und Schwert auszutilgen und keinen Stein der Stadt auf dem anderen zu lassen.
Am Abend des einundzwanzigsten Juli kommt der Kreuzzug in Sicht. Die Ribautz und Truands können die Beute nicht erwarten und beren-nen auf eigene Faust die Stadt. Es bleibt den anderen Pilgern nur übrig ihnen zu folgen. Die Tore geben nach. Entsetzt fliehen die überrumpelten Bürger von Beziers, Rechtgläubige und Ketzer, in die beiden Kirchen. Einer der Barone fragt den Erzabt von Citeaux, wie man denn die Ketzer herausfinden könne. Da soll ihm, wenn wir Cäsar von Heisterbach glauben dürfen, zur Antwort geworden sein:
»Tötet sie alle, Gott wird die Seinen schon herausfinden!«
In den Gotteshäusern, wo Priester im Meßgewand Totenmessen lesen, werden alle Bürger hingemordet, Männer, Frauen, Kinder (»zwanzigtausend« schreibt Arnold von Citeaux an den Papst). Keiner kommt mit dem Leben davon. Selbst die Priester vor den Altären werden hingestreckt. Und Kruzifix und Monstranz, die sie den Eindringlingen entgegenhalten, poltern auf die Steinfließen ...
Que nols pot gandir crotz, autar ni cruzifis;
E los clercs aucizian li fols ribautz mendics E femnas e efans, c'anc no cug us n'ichis.
Dieus recepja las armas, sil platz, en paradis!
Wilhelm von Tudela
Dann wird die Stadt geplündert. Während die Kreuzfahrer mit ihrer Henkerarbeit in den Kirchen vollauf beschäftigt waren, haben sich die Ribautz ans Beutesuchen gemacht. Mit Schwert und Stock und Prügel muß den plündernden Vagabunden ihr Raub entrissen werden, denn keiner will auf die versprochene Beute verzichten ...
Die Stadt beginnt zu brennen. Ihr Rauch verfinstert die Sonne dieses schrecklichen Julitages, die sich über dem Tabor zum Abschied rüstet ... »Gott ist mit uns«! rufen die Kreuzfahrer, »seht, welch Wunder! Kein Geier, keine Krähe bekümmert sich um dieses Gomorra!«
156
Die Glocken schmelzen in ihren Türmen, die Leichen brennen lichterloh und die Kathedrale berstet wie
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