Kreuzzug gegen den Gral
Metamorphosen wie das ebenfalls damals geschaffene Symbol der „Irminsul“, das von Himmlers Ahnenerbe bis hin zu der Nachkriegsgemeinschaft „ArtglaubeTreuekreis Irminsul“ führt. 78
Eine Sackgasse bei der weiteren Erklärungssuche ist der hinkende Vergleich mit einer mystischen Zentralsonne, die in einer Kleinschrift des esoterischen Schriftstellers Peryt Shou auftaucht. 79 Auch in der fast zehn Jahre vorher erschienen „Geheimlehre“ von Helena Petrova Blavatsky läßt sich der Begriff „schwarze Sonne“ auf den über 2000 Seiten nicht finden, obwohl die Theosophen eine Vorstellung kennen, bei welcher abstraktes, absolutes Licht Finsternis ist. 80
Als alter Begriff wird die „schwarze Sonne“, „sol niger“ nur in der Symbolik der Alchemisten genannt 81 , dort steht sie zusammen mit dem Raben für „Putrefactio“, dem Prozeß der Verwesung und Fäulnis 82 . Aus ihr entsteht „Nigredo“, das schwärzeste Schwarz als ein Zeichen des Übergangs. Solche Schwärze wird bei vielen Alchemisten als die erste Stufe angesehen, mit der das große Werk beginnt und an deren Ende lauteres, neugeschaffenes Gold steht. Basierend auf dieser Anschauung tauchen in der Literatur der rechten Esoterik Flugscheiben auf, die unter dem Hoheitszeichen der „schwarzen Sonne“, quasi als Abziehfolie, das wahre, goldene Zeichen ihrer Herkunft verbergen. Aber um die Verwirrung zu steigern, ist auch Gegensätzliches möglich. Joscelyn Godwin zitiert dazu in seinem englischsprachigen Buch „Arktos. The polar Myth“ Miguel Serrano, den Schöpfer des esoterischen Hitlerismus: „Ich glaube, daß das arische, hyperboreische Blut nicht ‘das Licht’ der goldenen Sonne ist, nicht ‘das Licht’ einer galaktischen Sonne, sondern einer Schwarzen Sonne vom grünen Strahl.“ 83
Dieser Exkurs, gleich wie die „runische“ Erklärung zu dem zwölfstrahligen Symbol im Nordturm der Wewelsburg, kann nicht über die Unstimmigkeiten mit der Realität hinwegtäuschen. Bei den Bodenintarsien und den damit verbundenen Baumaßnahmen zwischen 1939/42 hat sicher niemand daran gedacht, das gerade geschaffene Symbol im Obergruppenführersaal als ein „Zeichen des Übergangs“ zu interpretieren. 84 So erscheinen die heutigen Erklärungen zu der sogenannten „Schwarzen Sonne“ aufgesetzt und unrichtig. Andere und mitklingende Entsprechungen wurden bereit s im Text gestreift. -
An diesem Punkt ist die Wanderung des Grals in den Verzweigungen der Wewelsburg zuende. Daß man den Mythen und der deutschen Vorgeschichte gegenüber eine unbelastete und souveräne Haltung einnehmen kann, zeigt der 1950 in der DDR geborene Dichter Rolf Schilling „Wir erweisen Adolf Hitler zuviel Ehre, wenn wir ihn zum Universal-Erben und Allein-Eigentümer des deutschen Mythos [...] erklären. Der Adler, die Schlange, der Gral, Wotans Speer und Siegfrieds Schwert, die Queste und der Echsen-
Stein kommen von weit her und bleiben fruchtbar für künftige Zeiten, fruchtbar vor allem für den Gesang.“ 83
Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Oder: Wie sieht die Wahrheit aus?
Ein Standpunkt wie der Rolf Schillings ist selten. Wenn in den letzten Jahren die Kinder des neuen Jahrtausends, von verschiedenen Strömungen und Interessen getragen, den Schriftsteller Otto Rahn neu entdeckten, so bietet den späten Verehrern dessen unbürgerliches Leben als Gralssucher und SS-Mitglied oder sein früher Freitod meist nur die ideale Projektionsfläche für mancherlei Un-bewältigtes und Merkwürdiges. Da Otto Rahn im Nationalsozialismus eine Zeitlang einen persönlichen Zugang zu Heinrich Himmler hatte, läßt sich auch bei ihm der Trend feststellen, exponierte Personen dieser Zeit mythologisch zu verklären. Für diese seltsamen und emotional geprägten Haltungen gibt es neben den gedruckten Belegen natürlich auch in den Verflechtungen des Internet anschauliche Beweise. Dafür soll folgende, willkürliche Auswahl als Beispiel stehen.
Hierzu gehören auch die schon länger existierenden Schriften des Autors Kadmon (i.e. Gerhard Petak), 86 der mit seinen Webseiten diese neue, zeitgemäße Form der Vermarktung nutzt. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß seine Hefte es mit dem historischen Wahrheitsgehalt nicht immer genau nehmen. So stehen oft romantische Gefühle und nicht nachprüfbare Fakten im Vordergrund. Im Fall Otto Rahn hält Kadmon/Petak hartnäckig an dem „mythologischen“ hochalpinen Tod des Schriftstellers fest, das er mit einem
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