Kreuzzug
beauftragte Unterhändlerin in dieser Angelegenheit.«
»Aha. Von der Bundesmarine«, stammelte er. »Ich verstehe immer noch nicht.«
»Herr Hargraves hat angeboten, sich und seine Frau als Pfand im Austausch gegen die restlichen Geiseln anzubieten. Er ist amerikanischer Staatsbürger und bekleidet einen hohen Rang in einer US -Regierungsorganisation. Seine Frau auch. Die Geiselnehmer sind bereit zu einem Austausch, wenn sich zu dem amerikanischen Freiwilligen auch noch ein Einheimischer meldet.«
»Und da dachte ich an Sie, lieber Thien«, fügte Craig hinzu.
»Moment, das geht mir alles ein bisserl zu schnell hier«, sagte Thien ebenso verwundert wie erschrocken. »Wo kommen Sie eigentlich her? Und in welcher Regierungsorganisation ist der Mann hier?« Thien erschien das alles so skurril, dass er sich in einem Traum wähnte. Er stieß sich den Daumennagel in den Zeigefinger und spürte Schmerz. Es schien so, als sei er wach. War er vielleicht verrückt geworden? Träumte er einen Wachtraum? Halluzinierte er?
»Für Erklärungen haben wir jetzt keine Zeit«, sagte die Frau in Rot. »Wichtig ist, dass die Leute aus dem Zug freikommen. Wären Sie dazu bereit, mit dem Ehepaar Hargraves hier in der Obhut der Geiselnehmer zu bleiben?«
»Obhut ist gut!« Thien dachte daran, was seit der Einsprengung des Zuges alles passiert war. Wie sie das Mädchen geholt hatten, wie sie den Mann erschossen hatten, wie sie den Buben aus dem Tunnelfenster gehalten hatten. Nein, Fürsorge konnte man das bestimmt nicht nennen.
Andererseits würde sich seine persönliche Situation auch nicht dramatisch verschlechtern, wenn er hierbliebe. Er würde weiterhin eine Geisel dieser Verbrecher sein, so wie schon während der letzten vierundzwanzig Stunden. Sein persönlicher Einsatz war also sehr gering. Doch dieser Einsatz würde zweihundert Menschen die Freiheit schenken.
Er dachte an seine Kindheit, an seine Flucht über das chinesische Meer und wie sich die Menschen in dem Rettungsboot um ihn, das ihnen völlig fremde Kind, gekümmert hatten. Wie man ihn in Deutschland aufgenommen und ihm eine neue Heimat gegeben hatte. Jetzt konnte er sich dafür revanchieren. Beim Schicksal. Bei Gott. Oder einfach beim Glück.
»Okay, ich mache es. Aber nur unter der Bedingung, dass Sie …«
»Keine Bedingung«, fiel ihm Kerstin Dembrowski ins Wort. »Sie bleiben hier, die anderen gehen.«
»Na gut. Was ist mit Ihnen?«
»Ich bleibe auch.«
Das war eigentlich die Bedingung gewesen, die Thien hatte stellen wollen. Er hatte Gefallen an der forschen jungen Unterhändlerin gefunden. Es wäre zu schade gewesen, hätte er nicht die Gelegenheit bekommen, sie ein wenig näher kennenzulernen.
Kapitel hundertelf
Langley, CIA -Zentrale, 7 : 00 a.m. Ostküstenzeit
I ch höre.« Chuck Bouvier hatte jenen Mann am Apparat, der in der Nacht den Einsatz im bolivianischen Hochland geleitet hatte.
»Wir haben hier oben alles auf den Kopf gestellt. Die Schulen, in die er gegangen ist, die Häuser der Familien seiner Freunde. Und natürlich auch die Hütte, in der sie sich getroffen haben. Wir haben die Mütter und Schwestern in die Mangel genommen. Väter gibt es in den wenigsten Fällen.«
»Erzählen Sie, was Sie herausgefunden haben. Ich weiß, wie die Lage der Familien in Bolivien ist. Und ich weiß vor allem auch, wie ein sehr dringender und sehr spezieller Rechercheauftrag erledigt wird. Ersparen Sie mir Details über Ihre Verhörmethoden.« Hätte Chuck Bouvier nicht den Eindruck gehabt, dass genau dieser Mann, den er gerade am Telefon hatte, diesen Job mit äußerster Effektivität und Gründlichkeit erledigen würde – beides zusammen war in diesem Fall das Synonym für
Brutalität
–, hätte er ihn nicht losgeschickt.
»Na ja, Chuck, ich sage es Ihnen ungern: Sie sind verarscht worden. Und zwar richtig. Die sind keine Islamisten.«
Chuck Bouvier verschüttete die Hälfte seiner Double Skim Milk Mocca Vanilla Latte, die er eben an den Mund hatte führen wollen, und bekleckerte sein kariertes Hemd.
»Shit!«
»Das ist das Mindeste. Ich würde sagen: Bullshit.«
»Mann, geben Sie schon Gas! Wenn ich was versaut habe, dann will ich auch wissen, was!«, brüllte Bouvier in den abgegriffenen Hörer.
»Okay, die ganze Wahrheit, Chuck,
in a nutshell:
Pedro versteht sich als Freiheitskämpfer für das Volk der Aymara und Quechua . Den Islamisten mimt er nur. Damit ihn die Al-Qaida zum Guerillero ausbildet. Das hat ja so weit funktioniert. Nur,
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