Kreuzzug
Der Mann drückte ab. Das Geschoss zischte aus dem Rohr, und sein Treibsatz hinterließ einen schwarzen Flecken im Schnee hinter dem Schützen.
Das Hohlladungsgeschoss leistete ganze Arbeit. Eine Zehntelsekunde nachdem es die Bazooka verlassen hatte, explodierte es im Hubschrauber. Der verwandelte sich in einen Feuerball, in dem nur noch die sich weiterhin drehenden Rotorblätter auszumachen waren. Der Feuerball schlug auf dem Felsen neben dem Schneefernerhaus auf, und die sich drehenden Rotorblätter zerbarsten auf dem Wettersteinkalk. Dann kippte der brennende Hubschrauber in das Schneefeld unterhalb des Felsens. Dort löste der Aufprall ein Schneebrett aus, das mit den brennenden Überresten der Huey auf das Platt rauschte und erst neben dem Gletscherseelift zum Stillstand kam.
Die Gebirgsjäger auf der Terrasse des Schneefernerhauses feuerten nach einer Schrecksekunde mit ihren Sturmgewehren in die Richtung, aus der das Geschoss gekommen war, doch der Heckenschütze hatte sich längst wieder in seine Felsnische hinter den Lawinengittern gedrückt. Die Kugeln sprangen von den Stahlkonstruktionen ab und flogen als Querschläger bis zum Haus zurück.
»Feuer einstellen!«, brüllte Denninger. Er blickte hinunter zum brennenden Wrack der Maschine, dann wieder hinauf zu den Lawinenabweisern gut fünfzig Meter über sich. Momentan musste er sich um seine Schutzbefohlenen kümmern. Den feigen Attentäter dort oben würde er sich später holen.
Der Minister und seine Frau waren zusammen mit dem Ministerpräsidenten und dem Moderator auf allen vieren in tiefe Duckstellung gegangen. Auf Knien und Ellbogen kauerten sie zu seinen Füßen und hielten die Ohren mit den Handflächen zu.
»Los, rein ins Haus!«, befahl Denninger. Je zwei seiner Männer packten einen der Prominenten unter den Armen und bugsierten sie durch die nächste Tür ins Schneefernerhaus.
Kapitel vierzig
Eibsee-Hotel , 16 Uhr 09
I m Konferenzraum »Forelle« des Eibsee-Hotels starrten die Mitglieder des Krisenstabs auf die Leinwand.
100 + 1
DER ANFANG
www. 2962 amsl.com
stand dort schwarz auf weiß auf der Internetseite der Entführer.
»Gondel abgestürzt? Tote? Verletzte?« Katastrophenschützer Rothier musste sofort seinen Computer mit den entsprechenden Informationen füttern, um die in den Tälern verbliebenen Rettungskräfte zu koordinieren.
»Wahrscheinlich alle tot. Einhundert.« Der Vertreter des Landes Tirol sprach beinahe stimmlos und wiederholte dabei nur das, was alle im Raum schon wussten.
Entsetztes Schweigen machte sich breit. Nur die Koordinatoren an den Computern, die an den Seitenwänden saßen, hackten wie besessen in ihre Tastaturen und gaben kurze Befehle in ihre Funkgeräte. Alle Stäbe bei Bundeswehr, BND , MAD , aber auch im bayerischen und deutschen sowie im österreichischen Innenministerium und dem deutschen Kanzleramt wussten innerhalb weniger Augenblicke Bescheid, dass ein Terroranschlag im deutsch-österreichischen Grenzgebiet einhundert Todesopfer gefordert hatte. Die Presse und die Weltöffentlichkeit waren über die Mitteilung auf der Website der Terroristen zumindest darüber informiert, dass sich etwas ereignet haben musste.
»Was soll das mit hundert plus eins?«, wollte Dr. Schwablechner wissen.
»Das ist die zulässige Personenzahl der Kabine. Das steht unten in der Talstation auf der Tafel mit den technischen Daten. Einhundert Passagiere und ein Fahrer.« August Falk kannte nicht nur seine Bahnen auf der deutschen, sondern auch die österreichische Bahn in allen Details.
»Aber das heißt doch …«, sagte Hans-Dieter Schnur vom BKA , brach dann ab und fügte schließlich murmelnd hinzu: »Die sind sehr gut vorbereitet.«
Dr. Schwablechner blaffte den Bundespolizisten an. »Mann, daran besteht wirklich kein Zweifel mehr! Die sprengen eine Bahn in einen Tunnel ein. Die schalten sich per Internet in unsere Pressekonferenz. Die blasen eine Seilbahnstütze in die Luft.«
»Und die schießen einen Hubschrauber der Bundeswehr ab, der den Verteidigungsminister und den Bayerischen Ministerpräsidenten ausfliegen soll«, schaltete sich Major Peter Mainhardt von den Mittenwalder Gebirgsjägern ein, der neben dem MAD -Beamten vor den beiden Rechnern saß, über die die Aktivitäten der Bundeswehr koordiniert und analysiert wurden.
»Wie bitte?«, klang es beinahe zeitgleich aus den Mündern der Anwesenden.
»Wir haben sofort nach der Meldung mit der Seilbahn den Befehl gegeben, den Minister
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