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Kreuzzug

Kreuzzug

Titel: Kreuzzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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Herr Hauptfeldwebel. Apropos Kampf. Wo kann ich meine Kommandozentrale einrichten?«
    »Oben gibt es einen Konferenzraum. Meine Leute hängen die Fenster gerade ab. Wegen Scharfschützen.«
    »Verstehe, Herr Hauptfeldwebel. Sehr gut. Bitte bringen Sie mich dorthin. Wird meine Frau bewacht?«
    »Ich fürchte, nein, Herr Minister. Ich brauche alle Männer, um das Haus zu sichern.«
    »Nun gut, Herr Hauptfeldwebel. Wenn Sie alle bösen Buben draußen halten, haben wir hier drinnen ja nichts zu befürchten. Stimmt’s? Alles gut, Schatz?«
    »Alles gut. Ihr werdet die Situation regeln.« Carolin von Brunnstein küsste ihren Mann noch einmal auf die Wange. Dann setzte sie sich auf das ungemachte Bett an der linken Zimmerwand und starrte hinaus auf das Zugspitzplatt , wo die Menschenschlangen vor dem Schnellrestaurant SonnAlpin und vor der Gletscherbahn immer länger wurden.
    Wolkenfetzen rasten am Fenster vorbei. Das Unwetter hatte den Gipfelgrat längst überschritten und senkte sich auf die Schneefläche des Platts hinab. Unten lag der ausgebrannte Hubschrauber, dessen brennbare Teile noch glimmten. Die grauen Rauchfahnen mischten sich mit den ersten weißen Wolkenfetzen.
    Carolin von Brunnstein hörte ihren Mann und den Soldaten aus dem Zimmer gehen und sah, wie sich vom Schnellrestaurant aus zwei Menschen in Uniform dem verkohlten Hubschrauberwrack näherten. Dann nahmen ihr die Wolken die Sicht.
    Sie schlug die Hände vors Gesicht und begann lautlos zu weinen.

Kapitel vierundvierzig
    Waggon der Zugspitzbahn , 16  Uhr 45
    I m Tunnel bekamen die Entführten nichts von den Tragödien mit, die sich in den letzten Minuten um sie herum ereignet hatten. Und hätten sie davon gewusst, wäre nicht Mitgefühl die erste Reaktion der meisten Eingeschlossenen gewesen. Vielmehr wären sie in Agonie verfallen. Niemand hätte mehr geglaubt, diesen Bergausflug zu überleben.
    Thien wunderte sich, dass die Aufseher, wie er die beiden mit Maschinenpistolen bewaffneten Terroristen, die in seinem Waggon Wache schoben, bei sich nannte, noch immer keine Anzeichen von Müdigkeit zeigten. Seit bald vier Stunden gingen sie – wie ihre Komplizen im vorderen Triebwagen auch – in einer Tour auf und ab. Zwischendrin standen sie einmal ein paar Minuten an den Enden des Wagens. Dann setzten sie ihren Gang fort. Sie erledigten diesen Job mit äußerster Ruhe und beinahe so etwas wie Professionalität. Doch die Geiseln wussten, dass mit ihnen nicht zu spaßen war. Die Art und Weise, wie sie das blonde Mädchen behandelt hatten, ließ keinen Zweifel an ihrer menschenverachtenden Gesinnung, und der eiskalte Mord an dem mutigen Skifahrer zeugte von äußerster Entschlossenheit und Brutalität.
    Die meisten der Geiseln hatten innerlich aufgegeben, das sah Thien ihnen an. Dennoch hatte sich mittlerweile ein geregelter Umgang zwischen den Opfern und den Tätern eingestellt. Wer Durst hatte oder auf die Toilette musste, meldete sich wortlos per Handzeichen, dann kümmerte sich ein dritter Mann um ihn, der von den beiden Aufsehern »Oscar« gerufen wurde und daraufhin immer sehr rasch den Zug bestieg. Die Durstigen bekamen zu trinken aus Mineralwasserflaschen, die die Geiselnehmer irgendwo gebunkert haben mussten. Die Toilettengänger wurden an die Tür des Waggons geführt, durften aussteigen und mussten dann vor Oscar hergehen, um sich schließlich hinter dem auf dem anderen Gleis stehenden Bergabzug zu erleichtern. Bald stank es im Tunnel bestialisch. Es war ein Glück, dass sich Menschen nach kurzer Zeit an Gerüche so weit gewöhnten, dass sie sie nicht mehr wahrnahmen, dachte Thien jedes Mal, wenn wieder einer seiner Leidensgenossen von draußen zurück zu seinem Sitzplatz kam.
    Von den anderen Entführern hörte Thien nur selten ein Murmeln oder Brummeln. Nach wie vor hielten sich eine Anzahl Männer vor und eine Anzahl Männer hinter dem Zug auf. Zwischendurch wechselten einige von ihnen die Position. Dann eilten sie kurz an Thiens Fenster vorbei, aber nie ließ sich einer der Männer in den Waggons blicken. Sie hatten die Bewachung der Gefangenen an die Männer in den Wagen delegiert.
    Thien gewann den Eindruck, dass dieser Einsatz von langer Hand geplant und sehr gut vorbereitet sein musste. Es wäre Wahnsinn, jetzt als Einzelner oder im Team mit dem älteren Amerikaner von schräg gegenüber loszuschlagen. Dennoch wollte Thien mit ihm in Kontakt bleiben und ihm klarmachen, dass er auf ihn zählte. »Wir müssen etwas tun«, zwinkerte er zu

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