Kreuzzug
saßen, hatten zunächst zufrieden auf ihre Bildschirme geblickt, denn die Aktion war auf die Minute nach Plan gelaufen. Fast schon zu perfekt, wie Einsatzleiter Chuck Bouvier befand, als ihm wieder einmal jemand ein Wrap mit geräuchertem Lachs und einen Grande Skim Milk Vanilla Double Moccha aus der nächstgelegenen CIA -Cafeteria reichte. Beim genüsslichen Verzehr seines Lieblingsmenüs blickte er auf die Bildschirme vor ihm. Er sah darauf, was die von John McFarland installierten oder angezapften Kameras von und aus der Zugspitze live übertrugen, und er sah über McFarlands Helmkamera dessen im Kammhotel vor ihm aufgebauten Apparaturen. Die Einfahrt des Zugs in Ausweiche 4 . Die Einsprengung des Zugs. Die Panik im Zug, aber keine Toten und Verletzten. Das war alles wie gemalt abgelaufen.
Aber dann folgte die Kaperung des Zuges durch das Terrorkommando. Was ein Sprengstoffanschlag hätte sein sollen, wurde zu einer Geiselnahme. Das hatte so nicht im Drehbuch gestanden.
Vier Jahre lang hatte Bouvier die Aktion vorbereitet. Es war seine eigene Idee gewesen, ganz neue islamistische Terroristen zu verwenden. Echte Araber, Iraker, Iraner, Pakistani waren in den letzten zwanzig Jahren von den großen Geheimdiensten bis zum Überdruss eingesetzt worden, um die jeweils andere Seite zu destabilisieren. Palästinenser gingen ja schon seit den frühen siebziger Jahren überhaupt nicht mehr. Nach München 72 leuchteten bei jedem Grenzbeamten an jedem Flughafen der Welt die inneren Warnleuchten auf, wenn ein junger Mann oder eine junge Frau aus den Gebieten westlich des Jordan einreisen wollte. Irgendwann war jemand beim KGB auf die Idee gekommen, die jungen deutschen Salonrevoluzzer zu radikalisieren, sie ins Guerilla-Trainingscamp zu schicken und mit Kalaschnikows auszurüsten. Und tatsächlich hatte es die sich daraus bildende Rote Armee Fraktion geschafft, Deutschland ein knappes Jahrzehnt lang sehr erfolgreich in Atem zu halten. Die RAF wurde auch für die Italiener und einige andere europäische Terrorgruppen stilbildend.
Doch mit der unmittelbar erfolgenden Aufrüstung des Staates mit Sondereinheiten und Rasterfahndung kam schnell das Ende dieser wilden Zeit. Und letztendlich konnte die Stadtguerilla den Siegeszug des Kapitalismus über den Kommunismus nicht aufhalten. Doch das Prinzip dieser Aktionen und vor allem die Rekrutierung des Personals stand seit dieser Zeit als hohe Schule der Zersetzung in den Lehrbüchern der Auslandsgeheimdienste. Finde junge Menschen in dem Land, in dem du eine Aktion durchführen willst, biege ihre hehren Ziele in Richtung deiner Zwecke und versorge sie mit Waffen und Einsatzplänen. Es blieb natürlich immer ein Restrisiko bei diesen Einsätzen. Würden die jungen Radikalen so agieren, wie es die Planung vorsah?
Chuck Bouvier hatte die Geschichte des Terror-Managements in den letzten zwei Jahrzehnten begleitet und teilweise mitgeschrieben. Der Geistesblitz traf ihn eines Morgens beim Joggen im Langley Oaks Park gleich hinter seinem Haus in der Bright Mountain Road. Wie wäre es, wenn Südamerikaner zu Islamisten würden und sich einer Ausbildung in den Terroristencamps unterzögen? Nicht in irgendwelchen echten Terroristencamps natürlich, sondern in den hauseigenen CIA -Camps, in denen man Kontrolle über die Terroristen in spe erlangen konnte. In denen alles so aussah, als würden die Mullahs ihre Gäste aus aller Welt auf Einsätze vorbereiten. Was auch stimmte. Nur dass die vermeintlichen Mullahs CIA -Leute waren.
An Südamerikaner hatte noch niemand gedacht. Die standen auf keiner Fahndungsliste, und ihre Profile waren nicht in den weltweit vernetzten Personenerkennungssystemen gespeichert. Jeder Mensch auf der Welt würde bei »Südamerika« immer und zuerst an »Katholizismus« denken. Die drei Prozent der Gebildeten würden vielleicht noch »Befreiungskirche« assoziieren. Aber gebildete Menschen fand man in Grenzschutzbehörden selten an. Islamistische Terroristen aus Lateinamerika waren für Bouvier die Lösung für viele seiner Personalprobleme, die er als Leiter für »doppelverdeckte Einsätze« hatte.
Doppelverdeckte Einsätze – das war wieder so ein typisches CIA -Wort. »Terror-Management« hatte man Bouviers Abteilung zu Beginn auf den Fluren in Langley genannt. Man traute sich jedoch auch innerhalb der Firma nicht, das in ein offizielles Papier zu schreiben. Doppelverdeckt hießen die von Bouvier geleiteten Aktionen, weil die Öffentlichkeit natürlich nie
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