Kreuzzug
Bouvier hatte zwischendrin hin und wieder mal eine Viertelstunde geschlafen. Auf dem Feldbett, das er seit den Zeiten in Da Nang sein Eigen nannte. Zusammen mit dem Granatsplitter, der durch seinen Körper wanderte, und der Medal of Honour war es ein Andenken an die Zeit in Vietnam. Obwohl ihm die höchste Auszeichnung, die ein amerikanischer Soldat erhalten konnte, besondere Privilegien verschaffte, zu denen ein lebenslanger Ehrensold von derzeit 1100 Dollar gehörte, war ihm das Bett das liebste Souvenir.
Der Splitter würde ihm irgendwann einmal ein Organ ankratzen. Das Geld hatte er in Ausbildungsfonds für seine Kinder angelegt. Sein Erstgeborener, Chuck junior, und der Zweitälteste, Stephen, hatten davon noch profitiert. Die Anlagen, die für seine später geborene Tochter Amy vorgesehen gewesen waren, hatte die Finanzkrise pulverisiert. In seinem Feldbett jedoch hatte er neben einiger vietnamesischer Nutten auch eine junge Krankenschwester des deutschen Lazarettschiffes »Helgoland« flachgelegt, das im Hafen von Da Nang als Zeichen der großen deutsch-amerikanischen Freundschaft vor Anker gelegen hatte. Diese Nächte der kleinen deutsch-amerikanischen Freundschaft waren letztlich der Grund, warum es Chuck junior gab. Und Steve. Und Amy. Vierzig Jahre war er bald mit Hannelore, geboren in Köln, verheiratet.
Obwohl seine Kinder in Amerika zur Welt gekommen und als waschechte US -Kids aufgewachsen waren und seine beiden Jungs sogar freiwillig gedient hatten, was ihn besonders stolz machte, verspürte er eine gewisse Verbundenheit mit dem Heimatland seiner Frau. Immer, wenn er eine Operation auf deutschem Boden leitete, achtete er auf besonders gute Vorbereitung. Er hatte Respekt vor der sprichwörtlichen Präzision der Deutschen und wollte nie in die Situation geraten, dass ihm deutsche Geheimdienstkollegen Schlampereien nachsagen konnten. Auch wenn ihm das Urteil der Pullacher und Berliner, die nicht einmal auf die Baupläne ihres eigenen Neubaus aufpassen konnten, wie sich kürzlich gezeigt hatte, vollkommen egal sein konnte. Seinen Namen würde sowieso nie jemand von ihnen erfahren. Aber trotz allem, für ihn war es etwas Besonders, in Deutschland zu agieren.
Und ausgerechnet bei dieser Operation passierte dann diese verdammte Scheiße. Auf der Zugspitze , auf der er schon selbst gestanden hatte, auf einem dieser Urlaube, die einen Amerikaner in drei Tagen durch ganz Europa brachten.
Dennoch war ihm nicht gleich die Zugspitze in den Sinn gekommen, als er den Auftrag erhielt, den Deutschen mit einer doppelverdeckten Aktion einen gehörigen Schrecken einzujagen, um sie auf Linie und in die Front der gegen den islamistischen Terror kämpfenden Staaten zu bringen. Ein eindrucksvolles touristisches Ziel sollte es sein, hatten ihm seine Vorgesetzten aufgetragen. Eindrucksvoll, aber nicht zu symbolträchtig. Seine erste Idee war die Kuppel des Berliner Reichstags gewesen.
»Bist du wahnsinnig?«, hatte ihn der Geheimdienstchef gefragt, als Chuck ihm und dem stellvertretenden Verteidigungsminister sein Konzept präsentierte. Und der Vize-Verteidigungsminister hatte hinzugefügt: »Das hat Hitler schon gemacht, den Reichstag angezündet, um es einem Commie in die Schuhe zu schieben. Damit hat er sein Ermächtigungsgesetz durchgedrückt. Verdammt, ihr 007 er hättet doch ein bisschen mehr Geschichte lernen und ein bisschen weniger Football an der Highschool spielen sollen!«
Der Demokrat mit dem hellen Babygesicht war Bouvier schon immer unsympathisch gewesen. Nach dieser Bemerkung hasste er ihn. Der Kerl hatte seine Meriten in den Saufgelagen irgendwelcher Studentenverbindungen in Harvard errungen und nicht in den Sümpfen des Mekong-Deltas.
Doch egal, was Chuck Bouvier dachte, seine schöne Reichstagsaktion wurde abgeblasen. Allerdings nicht, ohne zuvor die Deutschen damit zu testen. Man steckte den deutschen Behörden die bereits angelaufenen Vorbereitungen einer von Bouviers doppelverdeckten Zelle und beobachtete, wie sich die deutsche Regierung und Bevölkerung verhielten. Insgesamt tat sie das, was man erwartete: Die Regierung ließ die Reichstagskuppel einige Wochen lang für den Besucherverkehr sperren, in den Medien wurde die stets latente islamistische Terrorgefahr in einer Reihe von Talkshows beschworen, und die Parlamentsdebatte um eine Verlängerung des Bundeswehrmandats für Afghanistan kam zu einem positiven Ergebnis; sogar die Grünen stimmten dafür.
Die Aktion war also, auch ohne dass
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