Kreuzzug
Erpresserwährung schlechthin. Sehr wertvoll und dabei extrem leicht. Das Problem mit Diamanten war auch nicht deren Beschaffung; in Südafrika und Rotterdam würden sich jederzeit ein paar Kilo einkaufen lassen. Das Problem war, sie in Geld zu verwandeln. Die Formen von geschliffenen Diamanten wurden mittlerweile in Datenbanken gespeichert, darum musste man sie, sollte ihr Weg nicht rückverfolgt werden können, aufwendig umschleifen. Dazu brauchte man wiederum die Hilfe der wenigen professionellen Edelsteinschleifer dieser Erde, und die saßen bei den Profis von de Beers und anderen Händlern. Diamantenschleifen war nichts, was man sich als Hobby aneignete. Es gab daher keine freiberuflichen kriminellen Schleifer, wie es zum Beispiel Dokumentenfälscher gab. Zu allem Überfluss ging auch noch ein Drittel des Materials beim Umschleifen verloren. Nein, Diamanten waren nur noch in Agentenfilmen eine gute Währung für Erpresser und andere Ganoven.
Generell war es durch die Digitalisierung recht schwer geworden, Geld oder anderes Gut, das man erpresst hatte, zu verstecken. Irgendwann wollte man ja die Scheine oder Steine in Umlauf bringen. Und die Datenbanken der international vernetzten Kriminalbehörden vergaßen nichts.
Aber Kreditkarten? Die damit getätigten Zahlungen waren nun wirklich einfach und ohne großen Aufwand zu verfolgen. Auf die Sekunde genau wussten die Rechenzentren der Unternehmen, wer was wo bezahlt hatte. Eine Kreditkarte mit einem Verfügungsrahmen von fünfhundert Millionen war der größte Schwachsinn, von dem Kerstin Dembrowski in diesem Zusammenhang jemals gehört hatte. Sie wollte es nicht glauben und fragte ein zweites Mal nach:
»Are you sure?«
»Yes. A credit card.«
»A credit card with a five hundred million Euro deposit?«
In ihrem Ohr war wieder eine Stimme. »Zusagen!« Diesmal war es nicht die des GSG 9 -Gruppenführers, der sich in der Lok hinter ihr verbarg, sondern der Generalinspekteur der Bundeswehr quäkte aus Berlin über den winzigen In-Ear-Empfänger, den sie trug, in ihren Gehörgang.
»We can arrange for that. But we need more time«, lenkte sie ein.
»No. You do not need any time. And you do not have time.«
»We need time to …«
Der Mann ließ sie nicht aussprechen. »We know that there are special accounts above black level at Unex . Ultrablack. Without tracking. A country like Germany will need one hour to get this done.«
Kerstin Dembrowski war kalt erwischt worden. Sie wusste, dass Kreditkartenfirmen wie United Express, die der Mann mit dem Kürzel »Unex« meinte, für spezielle Kunden auch spezielle Karten ausgaben. Schwarze Karten. Mit allen erdenklichen Service-Leistungen, die Normalkartenbesitzern nicht zur Verfügung standen. Sie hatte aber noch nie etwas von
sehr
speziellen Karten für
sehr
spezielle Kunden gehört, wie sie der Mann eben in die Verhandlung eingeführt hatte. Karten mit gigantischem Verfügungsrahmen, bei denen nicht gespeichert wurde, wo wann damit gezahlt wurde. Aber wenn man auch nur kurz darüber nachdachte, war klar, dass es so etwas geben musste. Scheichs, Emire, russische und chinesische Milliardäre, südamerikanische Drogenbarone, deutsche Lebensmitteldiscountkettenbesitzer und andere Hyperreiche gab es ja in wachsender Zahl auf der Welt. Die hatten sicher kein Interesse, dass ihre Yacht-, Jet-, Drogen- und Frauenkäufe in Datenbanken gespeichert wurden. Und je reicher solche Menschen waren, desto mehr neigten sie wahrscheinlich auch in diesen Dingen zu Spontankäufen.
Warum also nicht eine Tarnkappenkarte anbieten? Es gab nichts auf dieser Welt, was es nicht gab, wurde Kerstin Dembrowski klar. Dabei fiel ihr wieder der geheime Peilsender ein, den sie im Körper trug. Und dass in diesem Tunnel zweihundert Menschen saßen. Und Terroristen, die irgendwie aus diesem Tunnel würden herauskommen müssen. Sie musste unbedingt herausbekommen, wie das vonstattengehen sollte. Wenigstens ein paar brauchbare Hinweise für die Spezialisten brauchte sie.
»When do you plan to set the inhabitants in the tunnel free?«
»After we have left the country.«
»How will you leave the country?«
»Plane from Innsbruck. Provide a Lear Jet. Tonight ten o’clock.«
»How will you get there?«
»We will get there.«
»How will you …?« Bevor Kerstin Dembrowski ihre nächste Frage ganz aussprechen konnte, rauschte die Brandschutztür des Tunnelportals wieder zu.
Kapitel sechsundneunzig
Reintal , 11 Uhr 15
S ie wacht auf.«
Die
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