Krieg der Drachen - Roman
nach ihm aus. Der Norillier stolperte nach vorn. Ein Ast schlug ihm ins Gesicht. Er drehte sich, die Knie gaben unter ihm nach. Er stürzte und rutschte über den gefrorenen Schnee den Hang entlang.
Owen hatte keine Möglichkeit, seine ungewollte Rutschpartie zu bremsen. Schnee stob ihm ins Gesicht, dann scheuerte er mit dem Schienbein an einem jungen Baum vorbei. Er wurde herumgerissen und knallte mit der Schulter an einen anderen Baum. Vor und zurück, sich hilflos überschlagend, prallte er von einem Baum nach dem anderen ab und rutschte schließlich, zerschlagen und voller Schmerzen, in eine tiefe Schneewehe am Fuße des Hanges.
Dort lag er, verkrümmt, die Arme an den Körper gezogen. Sein ganzer Körper schmerzte von den Prellungen, aber er verdrängte es. Er lauschte, wartete auf Geräusche, die einen sich nähernden Feind ankündigten. Er nahm einen der Nägel, die seinen Mantel hielten, in die rechte Hand. Ich muss entweder mit der Fessel seinen Schädel zertrümmern oder mit dem Nagel zustechen. Das muss funktionieren.
Der Schnee und der heulende Wind verhöhnten ihn. Durch diesen Wind hätte er keinen Reiterangriff kommen hören. Jeder, der ihn hangabwärts verfolgte, konnte darauf zählen, dass der Wind den Klang seiner Schritte davontrug. Aber falls er sich bewegte, verriet das seine Position. Er zitterte und rang mit steigender Verzweiflung.
Eine Hand packte seinen Knöchel.
Er trat danach, aber sie ließ nicht locker. »Kapteyn Radband. Ich habe Euch gefunden.«
»Quarante-neuf?«
Der Pasmorte zog in aus dem Schnee und drehte ihn auf den Rücken. »Seid Ihr verletzt?«
»Zerschlagen und zerkratzt. Es kann weitergehen.« Er schaute nach Norden. »Hier muss es irgendwo ein Kanu geben. Es muss einfach.«
Quarante-neuf lächelte. »Ganz sicher, mein Freund. Wir finden sie näher am See.«
Owen blickte zu ihm hoch. »Ihr klingt fröhlich.«
Der Blick des Pasmorte ging in die Weite. »Fröhlicher, vermute ich. Ich bin frei. Als ich die anderen zerstörte. Da tat ich es, weil ich es wollte, nicht aus Zwang.«
»Gut so, mein Freund.« Owen nickte, rang aber innerlich mit der Angst. Wie lange werdet Ihr frei bleiben? Owen konnte den ersten Pasmorte nicht vergessen, den sie gefunden hatten, eingerollt und angenagt, und sein Tagebuch mit den deutlichen Anzeichen des Verfalls. Quarante-neuf mochte jetzt frei sein, aber irgendwann würde er den Punkt erreichen, an dem die Magie sich erschöpfte, von der er abhängig war.
»Sagt mir, dass Ihr Vivalius dabeihabt.«
»Ich habe mich entschieden, nichts davon zu stehlen.«
»Was? Der Prinz hätte es an Hand der Probe herstellen können. Er könnte Euch am Leben erhalten.«
»Das ist nicht möglich, mein Freund, denn ich bin bereits tot.« Quarante-neuf half ihm über einen umgestürzten Baum. »Ich werde Euch nicht im Stich lassen. Aber ich möchte nicht, dass jemand anderer erfährt, was ich erfahren habe. Die Leere. Erinnerungen, die gerade außerhalb meiner Reichweite hängen. Ich habe das Gefühl zu warten, ständig zu warten, weiß jedoch nicht worauf.«
Owen packte ihn an der Schulter. »Aber …«
»Ich werde Euch zurück zu Eurem Prinzen und Eurer Bethany bringen.« Der Pasmorte lächelte. »Danach werde ich in Frieden ins Grab zurückkehren.«
Das Heulen des Windes und ein heftiger Schneestoß erstickten jedes Gegenargument, das Owen hätte vortragen können. Während sie sich weiter in Richtung Seeufer kämpften, wuchs in Owen ein Gefühl der Leere. Er wollte nicht, dass Quarante-neuf starb. Aber falls das nur ein Bruchteil dessen ist, was er empfindet, verstehe ich ihn.
Nach einer kurzen Weile lehnte sich Quarante-neuf an einen Baum, während der Sturm um sie herum tobte. Der Pasmorte rutschte hinab in eine kleine Senke und trieb die Hände in den Schnee. Er grunzte, dann richtete er sich auf und drehte ein Kanu um. In der Vertiefung darunter lagen zwei Paddel.
»Kommt, Kapteyn Radband, nehmen wir die Paddel.«
Sie setzten das Boot aufs Wasser. Owen stieg vorn ein. Er kniete und setzte sich zurück auf seine Waden, was die noch vorhandenen Schmerzen erstaunlicherweise vertrieb. Quarante-neuf stieß das Kanu ab, dann watete er hinterher und stieg ebenfalls ein.
Der Wind schlug augenblicklich auf sie ein, trieb sie nach Süden auf das Ufer und die Festung zu. Owen hatte vorgehabt, nach Norden zu fahren und derselben Route zu folgen, auf der er die Festung ursprünglich erreicht hatte, doch der Wind machte diesen Plan undurchführbar.
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