Krieg der Drachen - Roman
stellte ein halbes Dutzend Kinder im Alter von dreizehn bis drei vor. Ihre Namen vergaß Owen wieder, kaum dass er sie gehört hatte. Caleb würde ihn ohne Zweifel zurechtweisen, wenn er gezwungen war nachzufragen. Er entschuldigte seine Unaufmerksamkeit in Gedanken damit, dass er noch immer unter dem Eindruck der Verwandlung des jungen Burschen stand, denn der Caleb, der ihn seiner Familie vorstellte, war ganz und gar nicht der, der ihn hierher geführt hatte.
Andererseits hätte er die Namen so oder so vergessen, denn am Abschluss der Vorstellungen erschien sie auf der Treppe.
Doktorus Frost wedelte ungeduldig mit dem Arm. »Da bist du ja, Bethany. Komm herunter und begrüße unseren Gast.«
Bethany Frost vereinte in sich das Beste beider Elternteile. Sie war schlank und groß, mit langem, goldbraunem Haar, das sie zu einem Zopf geflochten hatte. Sie schwebte die Stufen herab. Sie besaß das Lächeln ihres Vaters und die leuchtend
blauen Augen ihrer Mutter, doch ihr Blick war warm. Ihr Lächeln wurde breiter, als sie ihn zu Gesicht bekam, dann färbten sich ihre Wangen, als sie eine Stufe verpasste und fast den Rest der Treppe herabgestürzt wäre. Sie konnte sich am Geländer abfangen und lachte fröhlich.
Owen traute seinen Sinnen nicht. Eine norillische Frau wäre einzig und allein zu spät auf der Treppe erschienen, um einen Auftritt zu inszenieren. Dementsprechend wäre ein Stolpern ihr wie ein Grund zum Selbstmord erschienen und von allen anderen als Zeichen minderer Herkunft gedeutet worden. Bethany jedoch schien dem Fehltritt nicht mehr Bedeutung beizumessen, als er tatsächlich besaß.
Sie erreichte den Fuß der Treppe. »Es freut mich, Kapteyn Radband. Verzeiht meine Verspätung. Ich habe mich vergewissert, dass Euer Zimmer fertig ist.«
»Ich dachte, er schläft im Stall.«
Doktorus Frost kicherte. »Ja, Caleb, dessen bin ich sicher.«
»Vater.«
»Ihr müsst wissen, Kapteyn Radband, Calebs Ansichten über die Regierung Ihrer Majestät und wie sie uns behandelt, sind äh, etwas extrem. Er besucht die Akademia von Port Maßvoll. Dort studiert er für das Priesteramt, doch ich fürchte, er entwickelt sich zu einem Freidenker.«
»Er war freundlich zu mir, Sire. Ein Ehrenmann.«
Owen gestattete seinem Gastgeber, ihn den Korridor hinauf-und nach rechts zu führen.
Ein langer Zeichentisch war für eine Person gedeckt, an einem Platz in der Nähe des Feuers. Dr. Frost nahm rechts von Owen am Kopf der Tafel Platz. Caleb setzte sich ihm gegenüber. Owens Gastgeber öffnete eine Kristallkaraffe und schenkte allen dreien Rotwein ein.
Dann hob er sein Glas. »Auf das Wohl der Königin.«
»Auf ihr Wohl.« Owen trank. »Köstlich. Besser, als ich ihn in Tharyngia gekostet habe.«
»Das will ich hoffen. Mein Vater erstand ihn vor dreißig Jahren, und er ist seitdem in unserem Keller gereift.« Frost stellte das Glas ab. »Und Ihr habt mich nicht getäuscht mit Euren freundlichen Worten. Dazu ist mir mein Sohn zu gut vertraut. Er scheint zu vergessen, dass auch Abneigung keine Entschuldigung ist, sein Benehmen zu vergessen.«
Caleb senkte den Blick. »Verzeiht, falls ich Euch beleidigt habe, Kapteyn.«
»Das ist keineswegs erforderlich. Ich fand unser Gespräch höchst aufschlussreich.« Owen drehte sich zu Dr. Frost um. »Und ich, Sire, möchte mich in aller Form bei Euch für das Verhalten der Offiziere entschuldigen, die Ihr vor mir aufgenommen habt. Sollte nur ein Bruchteil dessen der Wahrheit entsprechen, was Euer Sohn mir berichtete, bitte ich Euch, mir die Namen dieser Schurken mitzuteilen. Es wird mir ein Vergnügen sein, ihnen bei der ersten Gelegenheit eine handfeste Lektion zu erteilen. «
»Ihr seid zu freundlich, Kapteyn. Ich bezweifle, dass das notwendig sein wird.«
Hettie kam mit einer Suppenschale herein, gefolgt von Bethany mit einem kleinen Korb, in dem Brotscheiben lagen. Caleb wollte sich eine nehmen, aber sie gab ihm einen Klaps auf die Hand. Seine Mutter warf ihm einen tadelnden Blick zu, der ihn veranlasste, sich mürrisch wieder zu setzen.
»Verzeiht die karge Kost, Kapteyn. Mein Gatte und ich hatten auf ein förmlicheres Mahl am Tag des Herrn gehofft, nach dem Gottesdienst.«
»Da gibt es nichts zu vergeben, Gnädigste. Ich verbrachte die
letzten sieben Wochen auf einem Schiff. Meine Mahlzeiten bestanden viel zu lange aus dünner Brühe und hartem Schiffszwieback. « Owen lächelte und sog den Duft des dicken braunen Eintopfes ein. »Es duftet ganz wunderbar.«
Hettie
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