Krieg der Drachen - Roman
Welchen Weg sollen wir nehmen? Der Schwarze See erscheint die leichteste Route, doch wäre auch der Grüne Fluss
vom Lac Verleau aus und weiter in den Oberlauf des Tillie und dessen Nebenströme möglich … Wo sollen wir beginnen?«
Nathaniel zog die Knie an die Brust. »Ich will ja nichts sagen, aber zäumt Ihr das Pferd hier nicht vom Steiß auf?«
Owen runzelte die Stirn. »Wie meint Ihr das?«
»Ihr ratet und nennt es überlegen. Vergesst, wohin er will. Schaut lieber, von wo er kommt.« Nathaniel deutete auf die Karte. »Er ist vor zwei Wochen den Silbernen hoch. Er wird in Kebeton haltmachen, um Leute und Vorräte aufzunehmen, wenn er Festungen bauen will. Das braucht mindestens ’ne Woche. Die Ryngen werden ihn reden hören wollen über dies und das. Sie werden ihn gehörig feiern. Er wird Kundschafter brauchen. Fallensteller und Händler rekrutieren. Wenn wir rausfinden, wer nicht mehr da ist, wo er von Rechts wegen sein sollte, finden wir auch diesen du Malphias.«
Owen grinste Prinz Vladimir an. »Plötzlich erschließt sich mir, was Ihr an diesem Mann findet.«
»Allerdings. Lasst Euch nicht von seinem grobschlächtigen Auftreten blenden, Kapteyn. Er ist klüger, als er sich anmerken lässt.«
Nathaniel lachte schallend, und sein langes Haar tanzte, als er den Kopf in den Nacken warf. »Ist wie Fallenstellen. Erst muss man den Biberdamm finden, dann stellt man die Falle in der Nähe auf.«
»Wir werden uns jedoch in Acht nehmen müssen. Dieser Biber hat äußerst scharfe Zähne.« Owen nahm einen Schluck Wein, um den bitteren Geschmack in seinem Mund loszuwerden, und verschluckte sich fast. »Dies ist wohl so wichtig, dass Ihr Berichte erhalten wollt, Hoheit, nicht wahr?«
»Ja, und sie sollten verschlüsselt sein.« Der Prinz legte die Stirn in Falten. »Ihr besitzt keine Kryptolinse?«
»Nein, Hoheit.«
»Ist Euch bekannt, wie man eine Nachricht an Hand eines Buches chiffriert?«
»Ich fürchte nicht, Hoheit.«
»Es ist recht einfach und unmöglich zu knacken, sofern der Feind das Buch nicht findet, das als Schlüssel dient.« Vladimir deutete zum Haus. »Ich werde Euch ein Buch mit auf den Weg geben, das ich in doppelter Ausfertigung besitze. Wann immer Ihr mir eine Nachricht senden wollt, werdet Ihr sie aufschreiben und dann in diesem Buch jedes Wort des Textes aufsuchen. Sodann ersetzt ihr das Wort durch die betreffende Seitenzahl, Absatzzahl und Wortzahl. Lautet das Wort etwa Bernstein, und Ihr findet es auf Seite vierzig, im dritten Absatz als viertes Wort, so schreibt Ihr 40-3-4. Des Weiteren werdet Ihr Eure Nachrichten datieren und das Datum von sechsunddreißig abziehen und die Differenz auf jeden Wert addieren. Schreibt Ihr also am Dreißigsten, ersetzt Ihr das Wort durch 46-9-10. Verstanden?«
»Jawohl, Hoheit.«
»Verzichtet auf Artikel wie ›ein‹ oder ›der‹. Sie verschwenden nur Zeit. Und zieht von allen Zahlen ein Fünftel ab. Fängt jemand die Nachricht ab und es gelingt ihm, sie zu übersetzen, soll er glauben, man hätte uns erfolgreich getäuscht. Bitte schickt mir Eure Botschaften über die Frosts.«
»Gerne, Hoheit.« Mit einer verschmitzten Miene holte Owen das Buch Hasts aus der Jackentasche. »Doktorus Frost gab mir dies als Lektüre mit. Können wir es dafür benutzen?«
Der Prinz lachte. »Eine köstliche Idee. Niemand wird jemals erwarten, ein norillischer Agent würde einen verräterischen Text für solche Zwecke verwenden. Großartig.«
Nathaniel grinste. »Und was macht ein Prinz des Reiches mit so einem Buch?«
»Er lernt es auswendig, und jetzt erst recht mit Hast, oder besser Eile. Der Text ist faszinierend.« Er erwiderte das Lächeln. »Ihr solltet lesen lernen. Es würde Euch gefallen.«
»Ich lese Wahr-Zeichen. Menschengekritzel ist niemals wahr.«
»Aber gelegentlich faszinierend. Vielleicht ist Kapteyn Radband so freundlich und liest Euch auf Eurer Reise etwas aus dem Buch vor.«
Owen und Nathaniel tauschten einen stummen Blick. Dazu wird es wohl kaum kommen.
»Kapteyn, ich habe eine kurze Liste von Dingen aufgestellt, nach denen Ihr Ausschau halten solltet. Bitte bringt mir Proben mit, falls möglich, Beschreibungen, wenn nicht. Ich verstehe, dass dies nicht das Hauptanliegen Eurer Reise ist, doch wenn Ihr mir diesen Gefallen erweist …«
»Ganz wie Ihr wünscht, Hoheit.«
»Danke.« Er stand auf. »Wie werdet Ihr von hier aus weiterreisen? «
Nathaniel kaute einen großen Bissen Hühnerbrust und schluckte ihn schnell hinunter.
Weitere Kostenlose Bücher