Krieg der Drachen - Roman
haben.«
»Tatsache?« Nathaniel kratzte sich am Kinn. »Sie waren in die Richtung unterwegs.«
Owen runzelte die Stirn. Ilsavont war Rynge. Die Ungarakii waren Verbündete der Ryngen und kannten das Gebiet. Das Tagebuch des Toten war in Ryngisch geschrieben, und er war selbst ein Kundschafter gewesen. Es ergab Sinn, dass jemand nach ihm suchte.
»Falls sie nach dem Leichnam suchten, wie haben sie das angestellt? Keiner von Euch sah irgendeine Spur des Toten, oder doch?« Owen sah Nathaniel an. »Ihr habt selbst betont, dass dies ein riesiges Land ist. Wie konnten sie erwarten, in diesem gewaltigen Gebiet einen Mann zu finden?«
Nathaniel zuckte die Schultern. »Wünschte, darauf wüsste ich eine Antwort.«
Kamiskwa streckte die Hand aus. »Den Ring des Toten, bitte.«
Owen kramte ihn aus einem seiner Beutel. »Glaubt Ihr, es ist Magie im Spiel?«
Der Altashie hielt den Ring in beiden Händen. Seine Augen schlossen sich. Einen Moment bewegte er keinen Muskel, dann flogen seine Lider auf. »Starke Eindrücke. Die Ungarakii-Schwächlinge konnten ihnen nicht folgen.«
»Kann mich nicht entsinnen, dass Pierre so mächtig gewesen wäre.«
»Kamiskwa, könnt Ihr auf diesem Ring einen anderen Eindruck verfolgen?«
Der Altashie schloss erneut die Augen, dann schnaufte er. »Ja.«
»Wohin?« Owen lächelte. »Ich bin sicher, er führt uns zu du Malphias.«
»Er ist schwach und verblasst.« Kamiskwa schüttelte den Kopf. »Und er würde uns zurück zu Pierre führen.«
»Verflucht.«
Kamiskwa knurrte. »Wir sollten weiter. Was ich nicht entdecken kann, findet mein Vater vielleicht.«
Owen rieb sich die Hüfte. »Ich bin mir nicht sicher, wie weit ich es schaffe.«
Kamiskwa schmunzelte. »Ganz gleich, wie weit es ist, wir sollten uns sputen. Wir sind im Besitz des Ringes, und auch wenn der Wendigo keinen Kopf mehr hat, wollen wir doch nicht, dass uns sein Körper verfolgt.«
EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL
9. Mai 1763
Gottesgaben, Mystria
D ie Vorstellung, von einem kopflosen Körper durch die Wälder verfolgt zu werden, sorgte für eine gewisse Eile. Sie marschierten bis in die Nacht hinein, so lange, bis sie den nächsten Wasserlauf überquert hatten. Ihr Lager schlugen sie ein Stück oberhalb
mehrerer Stromschnellen auf, und Kamiskwa bestand darauf, den Ring über Nacht ins Wasser zu legen.
Nathaniel stimmte ihm zu. »Tätige Weisheit. Der Ring wird magische Strudel im Wasser erzeugen. Denen folgt der Wendigo flussabwärts und verpasst uns meilenweit.«
»Funktioniert das wirklich?«
Kamiskwa zuckte die Schultern. »In den alten Geschichten erweist sich eine ähnliche Taktik als durchaus wirksam. Und jetzt wird es Zeit, sich um Eure Hüfte zu kümmern.«
Owen humpelte zum Ufer. Sein roter Uniformrock mochte ihn zur Zielscheibe gemacht haben, aber zugleich hatte er den Aufprall des Musketenschafts abgepolstert und einige der Splitter abgefangen. Er zog ihn aus, dann schob er die Hose nach unten.
Für eine Kampfverletzung war es so schlimm nicht. Ein Splitter war etwa einen Zoll tief eingedrungen. Der Rest hatte nur Fleischwunden gerissen. Als er den langen Splitter herauszog, floss langsam Blut aus einem Loch von der Größe seines Daumens.
Nathaniel tauchte auf und reichte ihm einige Farnblätter. »Kauen.«
Owen zupfte die Blätter vom Stängel und stopfte sie sich in den Mund. Der anfänglich süße Geschmack wurde sehr schnell bitter. Stängelstücke knirschten unter den Zähnen und gaben zusätzlichen sauren Saft frei. Unbeabsichtigt schluckte er etwas davon, und seine Kehle loderte. Er konnte sich nicht entsinnen, jemals etwas Widerlicheres geschmeckt zu haben.
Kamiskwa legte einen Packen Moos auf den Boden und hielt ihm die zu einer Schale geformten Hände entgegen.
Nathaniel schlug ihm auf den Rücken. »Spuckt’s aus.«
Der schaumige grüne Brei erinnerte an frisch zerquetschte
Heuschrecken. Kamiskwa stopfte ihn in die Wunde und verschmierte ihn auf der Hüfte. Dann deckte er das Ganze mit frischem Moos ab. Mit einem Streifen, den er von Owens Decke abgeschnitten hatte, verband er das Bein.
Nathaniel reichte Owen einen kräftigen Ahornstock als Gehhilfe. »Das nenn’ ich einen guten Tag, wenn man eine Handvoll Ungarakii erledigt und mit einem Kratzer davonkommt. In Sankt Fortunas kann es wer ordentlich nähen.«
»Entschuldigt, dass ich uns aufhalte.«
»Zu einer Entschuldigung besteht kein Anlass.« Kamiskwa breitete die Arme aus. »Wir befinden uns im Altashie-Gebiet und
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