Krieg der Drachen - Roman
die Gesellschaft auf ihn reagiert hatte. Schon die Tatsache, dass er Kinder von zwei Frauen hatte, mit denen er nicht verheiratet war, und Shedashie-Frauen noch dazu, dürfte genügt haben, für schiefe Blicke und Ablehnung zu sorgen. Für jemanden wie Bischof Binsen musste er wie der Teufel in Person erscheinen. Natürlich waren mit ziemlicher Sicherheit viele von denen Heuchler, die sich gegen ihn ereiferten. Owen hatte schon zahllose hohe Offiziere einfachen Soldaten Predigten über die Übel der Trunksucht und Hurerei halten hören, während sie selbst gerade angetrunken aus dem nächsten Bordell gekommen waren.
Mit diesen Gedanken schlief Owen ein und wachte völlig unerwartet erst zur letzten Wache auf. Als die aufgehende Sonne das Wasser des Sees golden färbte, aßen die Männer, verwischten alle Spuren ihres Lagers und stachen in See. Owen saß zwischen den beiden anderen, während sie das kleine Boot über das kristallklare Wasser paddelten.
»Ich kann auch rudern.«
»Macht Euch deswegen keinen Kopf. Behaltet Ihr das Ufer im Auge.«
»Wir sind zu weit entfernt für einen Schuss.«
»Schätze schon, aber ich will wissen, ob uns jemand beobachtet. «
Owen zog das Fernrohr aus der Tasche. Er suchte das Ufer ab, sah aber nichts weiter als einen im flachen Wasser grasenden Elch. Die stille Oberfläche spiegelte den blauen Himmel, außer in Ufernähe, wo das Spiegelbild des Waldrands das Wasser mit einem dunklen Rahmen begrenzte.
»Es sieht leer aus.«
Kamiskwa am vorderen Ende des Kanus, grunzte ein einzelnes Wort. »Tekskog.«
»Meinst du wirklich, Kamiskwa? Hier im See war noch nie einer.« Nathaniel lachte. »Würd’ auch nicht viel nutzen, wenn er einen sähe.«
Owen seufzte. »Soll ich nach etwas Bestimmtem Ausschau halten?«
»Tja, er möchte, dass Ihr nach einem Seeungeheuer sucht. Wie ’ne große Schlange, mit einem Pferdekopf und ’ner Menge Windungen. Der Prinz hat es vermutlich auf der Liste. Hält es für einen großen Otter. Ein verflucht großer. Würde meinen, da könnte man genug Röcke für Eure ganze Armee draus machen.«
»Ist das Euer Ernst?«
»Kann nicht ehrlich behaupten, jemals einen gesehen zu haben, aber ich hab viele Leute davon erzählen hören.«
Aus zwei Gründen verwarf Owen die Vorstellung nicht auf der Stelle. Zum einen hatte er selbst in Mystria bereits Geschöpfe entdeckt, die er nie zuvor gesehen hatte. Zum zweiten war das, was Wald beschrieben hatte – zugegebenermaßen bis auf das Fell –, ein Lindwurm in einem frühen Lebensabschnitt. Falls es hier Lindwürmer gibt, und wir können sie aufspüren, könnten wir sie aufziehen und abrichten. Das würde das Gleichgewicht der Macht in Auropa für alle Zeiten verschieben.
In den folgenden dreieinhalb Wochen überquerten sie zahllose Seen und Teiche und schlugen gelegentlich auf einer Insel
ihr Lager auf, aber nur ein einziges Mal gelangten sie auf dem Wasserweg von einem zum anderen. Den Rest der Zeit verstauten sie ihr Kanu am Ufer und zogen über Land zum nächsten See, wo sie ein anderes Kanu fanden und ausliehen.
Die Reise erstaunte Owen ungemein. Jeder neue Tag führte sie in ein Gebiet ohne die geringste Spur menschlichen Lebens. Er wusste natürlich, dass sie nicht die ersten Menschen waren, die sich dort aufhielten, denn sie stießen überall auf Kanus und Lagerplätze, aber er sah keine Zäune, keine Häuser und keine Straßen. Nach Stellen, an denen jemand Bäume gefällt hatte, musste er suchen. Mehr als einmal hatte der Wald eine Rodung zurückerobert, die laut den Aussagen seiner Führer zwanzig oder dreißig Jahre zuvor angelegt worden war.
Unterwegs behielt Owen die Liste des Prinzen im Auge, doch die Tiere darauf erwiesen sich als äußerst scheu. Dass er keinen Geopahr sah, bedauerte er allerdings nicht übermäßig. Nachts heulten Wölfe und wetteiferten mit den Eistauchern um den Titel der lautesten Kreatur um den See. Anfangs beunruhigte ihn diese Geräuschkulisse, doch mit der Zeit wurde sie ihm vertraut und angenehm. Vor die Augen bekam er jedoch keinen einzigen Wolf.
Wenn es still wurde im Wald, horchten sie auf. Kamiskwa und Nathaniel suchten augenblicklich Deckung, vergewisserten sich, dass ihre Waffen geladen waren, warteten und beobachteten, was sich in der Nähe aufhielt. Mehr als einmal hörten sie ryngische Fallensteller durch das Unterholz brechen, ohne selbst bemerkt zu werden. Nachts notierte Owen die Anwesenheit der Eindringlinge in seinem Journal.
Schließlich
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