Krieg der Drachen - Roman
ein eigenes Schicksal. Und versucht die Mutter, sie wieder unter ihre Herrschaft zu zwingen, dann sollten, dann müssen, dann werden die Jungen sie vernichten.«
»Euer Gesicht gefällt mir nicht, Owen.«
Owen warf Nathaniel einen Blick zu. »Er liest es nicht so vor, wie der Autor es geschrieben hat. Den letzten Satz hat er frei erfunden.« Owen zog das Buch aus der Tasche und blätterte darin. »Ich habe diesen Absatz gelesen, als ich eine Nachricht verfasste. Er hat einen Aufruf zur Rebellion hinzugesetzt, der nicht im Text steht.«
Quitte schlug das Buch zu und hielt es in die Höhe. »Dieses Buch spricht die Wahrheit, meine Freunde. Die Königin hält uns für ihr Gesinde, ihr Eigentum. Wir sind Sklaven für sie. Sie schickt uns keine Soldaten für unsere Sicherheit, aber sie verlangt unser Gold, um damit ihre Soldaten auf dem Kontinent spielen zu lassen. Und an der Küste regt sich kein Protest. Dort trinken sie nicht unseren Whiskey. Sie trinken Rum, wie die Soldaten, die uns die Königin nicht schickt. Dies sind schlimme Zeiten, Sires, und wir müssen handeln.«
Owen sprang auf. »Ihr seid ein Lügner.«
Quitte blinzelte, dann glitt ein echsenhaftes Lächeln auf seine Züge. »Bin ich das, Sire? Ihr widersprecht den Worten Samuel Hasts?«
»Ich widerspreche Eurem Vortrag seiner Worte.« Owen hielt sein Exemplar des Buches in die Höhe. »Ich habe dieses Buch von Doktorus Archibald Frost in Port Maßvoll erhalten. Ihr habt den Satz über die jungen Adler, die ihre Mutter vernichten müssen, hinzuerfunden. Er steht nicht in diesem Buch.«
»Ah, Ihr besitzt also einen in Port Maßvoll verlegten Text.« Der Ortsname triefte vor Verachtung. »Soll ich Euch glauben, dass Euer Doktorus Frost den Text nicht verändert hat, um seine Interessen zu schützen? Er ist von der Küste. Wir interessieren ihn nicht.«
In der gegenüberliegenden Ecke richtete sich ein Hüne von einem Mann auf. Er war groß und breitschultrig, mit einem dichten, buschigen Bart und dunklem, kurzgeschorenen Haar. Keiner der übrigen Männer im Raum kam an seine Statur heran. Drei unübersehbare Narben zogen sich von seinem Schädel über die Stirn und reichten weit genug, dass eine davon die linke Augenbraue zerteilte. Er ragte hoch auf und wuchtete sich einen Schritt auf Quitte zu. »Hört mal gut her, Meister. Ihr redet gehörig geschwollen, aber ich hab Euch noch nie gesehen. Meine Brüder und ich, und mein Vater und seine Brüder vor uns, und mein Großvater und seine davor, haben alle Geschäfte mit den Frosts gemacht. Sie zahlen vielleicht nicht, was wir uns wünschen, aber sie zahlen einen fairen Preis.«
Quitte, der sichtlich bleich geworden war, hob einen Finger. »Ich gestehe Euch zu, das ist ein guter Einwand. Ich war vielleicht zu hastig. Es gibt überall Patrioten, Männer, die an Mystria glauben und daran, wozu es fähig ist.«
Owen neigte den Kopf. »Warum habt Ihr über die Whiskeysteuer gelogen?«
»Wieder beschuldigt Ihr mich der Lüge.« Quitte schob das Kinn vor. »Woher wollt ihr wissen, dass es nicht stimmt?«
Bevor Owen antworten konnte, stand Nathaniel auf. »Weil wir aus Port Maßvoll kommen. Die ham jetzt einen neuen Drucker, der eine Zeitung macht. Mit allen Neuigkeiten aus Norisle. Der Mann kam frisch vom Schiff, war Ende Februar abgefahren. Stand kein Wort über eine Steuer in seinem Blatt.«
Ein anderer Gast schnaufte. »Woher wisst ’n Ihr das, Wald? Ihr könnt nicht lesen.«
»Ich les’, was ich lesen will, Hiram Sumpf, damit ich mich im Wald nicht verlaufe. Im Gegensatz zu anderen.« Nathaniel schlug Owen auf die Schulter, ein wenig härter als notwendig. »Aber ich hab mich entschieden, was für meine Bildung zu tun, deshalb hab ich mir von Owen hier vorlesen lassen. Und er hätte mir von Steuern vorgelesen, weil ich extra gefragt habe.«
Quitte breitete die Arme aus. »Vielleicht war meine Quelle falsch informiert, was dies betrifft. Doch merkt Euch meine Worte, der Tag wird kommen, an dem die Königin von uns verlangt, sie zu ernähren, obwohl sie nichts für uns getan hat. Wir sind die Söhne und Töchter, die Enkel und Enkelinnen derer, die Norisle verstoßen hat. Wir schulden der Königin nichts, und doch fesseln uns ihre Gesetze, versklaven uns ihre Edelleute, plündern ihre Kaufleute uns aus. Und auch wenn es Verräter unter uns geben mag, wisst Ihr doch alle, tief in Eurem Herzen, dass der Tag kommen wird, dass er bald kommen wird, an dem auch wir das Nest verlassen und uns aus ihren
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