Krieg der Sänger
ins dunkle Gebälk; unschlüssig, wie sie sich gegen einen Angriff von
oben schützen sollten. Doch der Schnee nahm ihnen die Sorge: Mit einem
gewaltigen Krachen löste sich das Schneebrett, auf dem sich die beiden
Kletterer befanden, vom Dach und riss sie mit sich zu Boden. Eine Kaskade aus
Schnee und Eis stürzte mitsamt den Unglücklichen in den Burghof, begrub dort
das Belagerungsgerät unter sich und schlug so manchen ausharrenden Soldaten
besinnungslos. Bis der Schaden behoben war und alles Gerät und die Körper
wieder ausgegraben, dauerte es eine gute Weile. Ein weiterer Versuch, das Dach
über den Bergfried zu nehmen, wurde nicht unternommen.
Am Nachmittag vernahm Biterolf, der sich zum Schlafen vors Feuer
gelegt hatte, ein kratzendes Geräusch aus dem Kamin. Für einen Augenblick
glaubte er, ein unglücklicher Vogel sei auf irgendeine Weise in den Schornstein
geraten und kämpfe nun im Rauch ums Überleben, doch dann begriff er, dass das
Geräusch nicht von über dem Feuer kam, sondern von unten. Er rief die anderen
zu sich und weckte die Schlafenden. Offensichtlich versuchte jemand, aus dem
Rittersaal im darunterliegenden Stockwerk durch den Rauchabzug
aufwärtszugelangen.
Die Verteidiger schoben kurzerhand einen Großteil der brennenden
Scheite in den Schlot, der dahinterlag. Aus dem Dunkel hörten sie das Geschrei,
als Feuer, Glut und Asche auf den heimlichen Kaminkletterer herabprasselten.
Sofort legten sie neues Feuerholz nach. Friedrich ging, die Lage am Kamin an
der Nordseite zu prüfen, in dem kein Feuer brannte, und kam gerade rechtzeitig,
um einen zweiten Kletterer mit dem Schwert zu begrüßen, als der, schwarz wie
der Teufel von Toledo, seinen Körper aus der Öffnung zwängte. Der Eindringling
zog den Sturz vor und ließ sich hinabfallen, bevor Friedrich zustoßen konnte.
Lediglich der Kamin an der Südseite war für dergleichen Maulwürfe
versperrt, weil sein Abzug nicht in die darunterliegenden Geschosse ging.
Während man noch darüber stritt, wie man die beiden offenen Rauchabzüge am
besten dauerhaft verschließen konnte, passierten mehrere Dinge zur gleichen
Zeit: Aus dem Hof ertönte der Ruf eines Hifthorns. Agnes, die an der Treppe
wachte, schrie um Hilfe, weil ein neuer Angriff auf die Brustwehr und den
Bogengang eingeleitet wurde. Die Männer griffen zu ihren Waffen und waren schon
auf dem Weg zu Bogengang und Treppe, als die Fenster in der Nord- und der
Südfassade zerschlagen wurden. Auf jeder Seite hatte man Leitern angelegt, um
sich auch über die schmalen Fenster Zutritt zum Saal zu verschaffen.
Die Verteidiger rannten umher wie eine Schar Asseln, denen man den
schützenden Stein weggerollt hatte, unschlüssig, zu welcher der fünf Fronten
man zuerst eilen sollte – bis endlich Wolframs Stimme durch den Raum donnerte,
jeden beim Namen rief und ihm eine unmissverständliche Stellung zuwies: Agnes
die Kamine, Biterolf die große nördliche Fensterfront und Rumolt die kleine
südliche, Ofterdingen und Johann der Bogengang, sich und Friedrich die Treppe.
Unwillkürlich wollte Biterolf protestieren, aber Wolfram war längst
fort. Also nahm er eine der Armbrüste in seine freie Hand und rannte zu seiner
Stellung, wo die Schwerter der Thüringer fleißig das Glas zerschlugen. Diese
Fenster zu verteidigen war doppelt schwer. Denn zum einen war ihr Sims fast
mannshoch, sodass Biterolf mit seinem Schwert kaum zuschlagen konnte, und zum
anderen war die Fensterfront so breit, dass die Thüringer gleich zwei
Sturmleitern angelegt hatten.
Biterolf schoss dem linken Soldaten durchs Fenster einen Bolzen in
die Brust und hatte das große Glück, dass der Mann trotz der Verletzung die
Leiter nicht aus der Hand ließ, sondern verletzt wieder hinabstieg, was die
Leiter für die Nachkommenden blockierte. Während Agnes die Armbrust nachlud,
schob Biterolf einen Tisch vors Fenster und sprang darauf, um nun auf Augenhöhe
mit den Thüringern zu sein. Im Kampf zerschlugen er und sein Kontrahent die
Reste von Fenster und Fassung und hieben Kerben in die Säulen. Biterolf aber
hatte den Vorteil, ausholen zu können, und mit einem kräftigen Streich gegen
den Helm hatte er den Mann von der Leiter gemäht.
Weitere kamen nach, bald auch wieder über die linke Leiter. Hin und
wieder erkannte Biterolf hinter Helm und Nasenstück Gesichter, die er in den
Tagen zuvor auf der Burg gesehen hatte. Er brüllte Agnes zu, sie möge schießen,
aber sie war fort. Einem weiteren Mann zerschlug er den Arm. Er
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