Krieg der Sänger
Bolzen ins Gesicht, dass er tot im Bogengang zusammenbrach, den zweiten
stieß Rumolt mit einem Axthieb in den Brustkorb über die Brüstung. Dem dritten
Thüringer gelang es jedoch, Gregor das Schwert in die Seite zu hauen und ihm,
als er am Boden lag, den Rücken zu durchbohren. Dann trieben ihm Biterolf und
Rumolt von beiden Seiten die Klingen in den Leib. Sie halfen Gregor auf die
Beine. Er blutete vorne und hinten, schüttelte aber dennoch unwirsch die
helfenden Hände ab, kaum dass er stand, und zog sich in den Saal zurück.
Das Gefecht dauerte ewig. Stets kamen neue Leitern und neue Leute
nach. Der Boden des Arkadenganges war bald mit Bolzen übersät, sodass Agnes
immer ausreichend Nachschub hatte, die Armbrüste damit zu bestücken. Biterolf
wurde der Gaumen so trocken, dass er mehrmals eine Handvoll Schnee aufnahm und
sich in den Mund steckte. Ihre schwitzenden Leiber und die ihrer Angreifer
waren in der Kälte von steten Dampfwolken umhüllt.
Wolfram, Ofterdingen und Konrad gelang es, die Erstürmung der Treppe
zu verhindern. Schließlich gaben die Thüringer Ritter ihren Männern den Befehl,
den Angriff abzubrechen. Das Treppenhaus wurde abermals geräumt, die
Armbrustschützen verließen ihre Stellungen, die Sturmleitern blieben aus. Agnes
sammelte sämtliche Bolzen auf, während Rumolt den erschlagenen Thüringern
abnahm, was man an Waffen, Rüstung und Kleidung von ihnen noch gebrauchen konnte.
Im Saal lag Gregor. Er hatte es bis vor den Kamin geschafft und war
dort zusammengebrochen und gestorben. Man kam um seine Leiche zusammen. Agnes
sprach ein Gebet und schlug den Körper in ein Tischtuch. Rumolt weinte und
verfluchte den Landgrafen. Blut und Schweiß hatte sich auf Wolframs Stirn so
vermischt, dass es aussah, als hätte er Blut geschwitzt. Er roch nach Harn. Im
Kampf war er gezwungen gewesen, sich in seine Rüstung zu erleichtern. Trotz
allem zog er es vor, gerüstet zu bleiben, während die anderen sich entkleideten
und ihre nassen Hemden zum Trocknen vors Feuer legten.
Heinrich von Ofterdingen klopfte Wolfram unentwegt auf die Schulter.
Dann trat er zu Konrad, der mit nacktem Oberkörper am Kamin saß und sich Hand
und Arm rieb, die das Schwert nicht gewöhnt waren. »Die Thüringer haben wir das
Fürchten gelehrt, was, Heinrich?«, fragte Konrad stolz.
»Das nächste Mal hilfst du der Amme beim Bolzensammeln, du Memme«,
entgegnete Ofterdingen brüsk. »Immer einen Schritt hinter uns und das Schwert
wie eine Leimrute von dir gestreckt. Jämmerlich! Hast du überhaupt irgendeinen
erwischt? Rupert an deiner Stelle wäre mitten unter sie gesprungen und hätte
sie niedergemacht wie ein Schnitter das Korn.« Ofterdingen hatte ihm den Rücken
zugedreht, bevor sich Konrad rechtfertigen konnte.
Johann, der Wache hielt, rief nach ihnen. Der Landgraf wünschte
Wolfram und Biterolf im Treppenhaus zu sprechen – allein.
Die beiden Sänger folgten dem Wunsch. Ofterdingen, der dem Fürsten
seine Meinung sagen wollte, wurde verwehrt, sie zu begleiten, denn zum jetzigen
Zeitpunkt schien es nicht klug, noch Öl ins Feuer zu geben.
Tatsächlich erwartete sie dort auf dem Treppenabsatz, in den
Überresten der angeschlagenen Brustwehr, zwischen zersplitterten Kettenringen
und fehlgeleiteten Bolzen, Hermann von Thüringen, ohne Gefolge und nur leicht
gerüstet, offenbar der festen Überzeugung, dass man zumindest gegen ihn nie die
Hand erheben würde. Er lächelte.
»Es nimmt sich wie ein Wunder aus«, sagte er. »Drei Ritter und fünf
Mann halten dieses Haus gegen das Heer von Thüringen. Es klingt wie eine von
Richards von England Heldentaten im Gelobten Land.«
»Euer Palas hatte kluge Baumeister und lässt sich daher vortrefflich
verteidigen«, entgegnete Wolfram.
»Umso mehr unter der Führung eines erfahrenen Kämpfers, wie du es
bist, Wolfram.«
»Habt Dank, Euer Hoheit.«
»Vier meiner Männer sind tot, ein Dutzend weiterer liegt mit
Löchern, Schnitten und Brüchen in den Händen meines Wundarztes. Wen es von euch
hingerafft hat, weiß ich nicht, aber mich interessiert vor allem, wie viele
noch sterben müssen, bevor ihr euch endlich ergebt.«
»Wir werden uns nicht ergeben.«
»Wolfram, das ist Tollheit. Ihr könnt uns unmöglich auf Dauer
widerstehen, und Flucht ist unmöglich. Ich lasse mich nicht zum Belagerer meines
eigenen Hauses machen. Also streckt die Waffen, ich flehe euch an. Es bleibt
bei meinem Wort, dass ihr unbestraft bleibt.« Weil Wolfram keine Antwort gab,
fügte er
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