Krieg der Sänger
hinzu: »Dieses Angebot weite ich übrigens auf jeden von euch aus; eure
Knappen, mein abtrünniges Gesinde – sie sollen in Frieden ziehen. Ich möchte
wirklich nicht, dass in diesem sinnlosen Kampf noch weiteres Blut fließt.«
»Wer hat unsere Flucht verraten?«, fragte Biterolf.
»Das war Walther, der – im Gegensatz zu dir, Biterolf – weiß, was Loyalität
bedeutet. Aber ich will deine Unvernunft damit entschuldigen, dass du noch
junges, hitziges Blut hast und Recht und Unrecht nicht immer auseinanderhalten
kannst.«
»Recht und Unrecht?«, entgegnete Biterolf. »Wir wissen, wie es zu
Heinrichs Niederlage kam, Euer Hoheit. Wir wissen, dass wir alle nur auf die
Wartburg gekommen sind, damit das Blut des Ofterdingers fließt.«
»Walther hat mir bereits den gleichen Vorwurf gemacht, und
vielleicht zu Recht«, sagte Hermann. »Bedenkt aber, dass ihr Spielleute es
leichter habt als ein Fürst wie ich. Mir stehen eure subtilen Mittel nicht zur
Verfügung, das Ansehen eines Mannes zu verheeren mit ein paar zwanglosen
Versen, so wie es Heinrich von Ofterdingen vor zwei Jahren mit mir getan hat.
Wenn es in eurem Sinne ist, verspreche ich, das nächste Mal grober und direkter
vorzugehen, wenn ich mir Vergeltung schaffen will. – Aber die Fehde zwischen
mir und diesem Schandmaul sei nicht eure Angelegenheit. Legen wir diesen Streit
bei. Reichen wir einander wieder die Hände.«
»Es geht nicht, Euer Hoheit«, sagte Wolfram gequält, »solange Ihr
nicht auch Heinrich ziehen lasst.«
»Ausgeschlossen. Ich habe mir geschworen, Heinrich zu vernichten.«
»Und ich habe geschworen, ihn zu verteidigen«, erwiderte Wolfram.
»Und ich habe noch nie in meinem Leben die Waffen gestreckt. Was wäre das für
ein armseliges Finale.«
» Finale? Dies ist nicht eine deiner
Geschichten, Wolfram.«
»Es wird gerade dazu.«
Hermann sah Wolfram lange in die Augen. Der hielt den Blick und
sagte einmal mehr: »Es geht nicht.«
Hermann nickte schließlich resigniert. »Das Letzte, was ich will,
ist, dass einer von euch beiden verletzt wird. Ich werde Befehl geben, dass man
euch beide schont, so gut es geht.«
»Ihr könnt nicht erwarten, dass wir das Gleiche mit Euren Männern tun.«
»Das tue ich auch nicht. Ich erwarte lediglich, dass ihr beide
Vernunft annehmt. Ich werde dennoch den Befehl geben, euch zu verschonen.« Er
wandte sich zum Gehen. »Kann ich mich darauf verlassen, dass ihr euren Leuten
und meinen Knechten den Vorschlag unterbreitet, als freie Männer das Feld zu
verlassen? Oder muss ich es über den Hof brüllen?«
»Wir sagen es ihnen, Euer Hoheit«, antwortete Wolfram. »Wann werdet
Ihr wieder angreifen?«
»Immerzu«, sagte Hermann, »und so lange, bis mein Haus wieder mir gehört.«
Zurück im Festsaal gab Wolfram das Angebot des Landgrafen bekannt,
allen Fluchthelfern Gnade zu gewähren. Weil er währenddessen vornehmlich Agnes
und Rumolt ansah, antworteten diese zuerst darauf: Keiner der beiden wollte die
Gruppe verlassen und Gregor verraten, der im Kampf für sie gestorben war. Im
Übrigen trauten sie Hermann nicht, dass er sie unbehelligt ließe. Vielleicht
würde er sie heute gehen lassen, aber nur, um sie dann, eine Woche später oder
ein Jahr, aufzuspüren und zur Rechenschaft zu ziehen. Rumolt sagte stolz, er
ziehe den Tod im Kampf vor. Agnes nickte.
Friedrich und Johann, denen Wolfram ins Gewissen redete, reagierten
heftiger. Je mehr Wolfram auf sie einredete, je mehr er ihnen begreiflich zu
machen versuchte, dass Hermann recht hatte – dass sie in der Tat den Palas
nicht ewig würden halten können, dass Flucht unmöglich war – und dass er,
Wolfram, unmöglich ihren Tod ertrüge und dass vor allem der Ofterdinger dies
alles nicht wert sei –, desto bewegter wurde insbesondere Friedrich. Als
Wolfram die beiden ihrer Pflicht entband, ihm weiterhin zu dienen, sprang
Friedrich wutentbrannt auf die Beine und schrie, er wolle nicht ein weiteres
Wort mehr hören, sonst vergesse er sich. Dann verließ er den Saal und ging zur
Treppe, um sich dort in Abgeschiedenheit wieder abzukühlen.
Auch Biterolf schüttelte den Kopf, als Wolframs Blick die Runde
machte. »Dann will niemand gehen?«
Scheu hob nun Konrad die Hand. »Ich werde gehen.«
Eine Vielzahl von Mienen wechselte sich auf Ofterdingens Gesicht ab.
Dann sagte er flach: »Das wagst du nicht.«
»Ich bin ein schlechter Kämpfer, du hast es vorhin selbst gesagt«,
erklärte Konrad. »Und dies ist nicht mein Krieg.«
»Nicht dein Krieg?!«
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