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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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verschanzt sich im Haus ihres
Gastgebers, der sie in eine Falle gelockt hat, und führt mit stolzer
Todesverachtung einen aussichtslosen Kampf gegen die Übermacht vor den Türen.
Das wäre doch ein Untergang, der den Burgundern um Gunther und Hagen gut zu
Gesicht stünde! Wäre das nicht ein schönes Ende für das Nibelungenlied?«
    »Wunderschön«, sagte Wolfram. »Heinrich und seine bluttriefenden
Enden.«
    »Es wäre noch ein vergleichsweise unblutiges. Wenn du dich
erinnerst, mein Lieber, dann haben wir damals noch ganz andere Varianten
erzählt bekommen. Dieser eine Mönch aus Island meinte doch, Hagen bekäme das
Herz bei lebendigem Leib aus der Brust geschnitten. Und das Weib in Straubing,
weißt du noch, war ganz versessen darauf, dass Kriemhild die Herzen ihrer
eigenen Kinder verspeist, am Spieß knusprig gebraten, bevor sie ihrem Bruder
ein brennendes Holzscheit in den Rachen stößt.«
    »Ich schlage dennoch vor, du endest, sollten wir lebend hier wieder
herauskommen, die Nibelungen versöhnlich.«
    »Das kann ich mir vorstellen!«, entgegnete Ofterdingen. »Wenn man
sie dir überlassen würde, die Nibelungen, dann würde Hagen sich bekehren,
Kriemhild würde in die Schwestern- und Gunter in die Narrentracht schlüpfen,
und König Etzel würde täglich eine Messe für Siegfried lesen lassen. Nicht
wahr, du alte Klostereule?«
    »Zumindest würde ich nicht dem blutrünstigen Pöbel nach dem Mund
schreiben.«
    »Herrlich. Das war schon damals, in Passau, mein Verdacht: dass es
dir im Grunde genommen lästig war, dich mit dem Pöbel herumzuschlagen; durch
die verrauchten Bauernkaten zu ziehen und aufzunehmen, was Bauern,
Kohlenbrenner und Torfstecher von den Nibelungen wissen. Anstatt dem deutschen
Volk auf sein unbefangenes Maul zu schauen, hast du deinen toten Franzosen
bevorzugt. Denn wie will jemand, der das Volk verachtet, das Lied des Volkes
niederschreiben?«
    »Ich achte das Volk sehr wohl. Aber das hindert mich nicht daran, es
erziehen zu wollen.«
    »Mit deiner Priesterweisheit? Mit deinen Feengeschichten von
Luftschlössern und Zauberbetten? Mit diesen provenzalischen Andeutungen, die so
verfeinert sind, dass niemand mehr versteht, worum es eigentlich geht? Mit
diesem ganzen welschen Wurzelwerk unverständlicher Namen? Da fällt mir übrigens
ein Lied ein: Der heilige Gral , nach Wolfram von
Eschenbach.«
    Ofterdingen nahm Fiedel und Bogen wieder auf und sang über eine
einfache Melodie:
     
    Der fromme Ritter Parzival
    Auf seinem Pferdchen Gringulal
    Ritt zu der Festung Monsalvat,
    Wo es den Gral des Heilands hat.
     
    Auf Ritter, denen er begegnet,
    Die Klinge seines Schwertes regnet:
    Auf Melianz und Vivianz
    Und Gurnemanz und Gramoflanz.
     
    Der Ritter plündert Küch und Keller,
    Trinkt sich voll Weins und leert die Teller
    Und sprengt die Tür zum Weibsgemach
    Und tut dort allen Weibern Schmach:
     
    Beschläft die Frauen Plippalinot,
    Repanse, Puzzat, Obilot
    Condwiramur und Vergulant.
    Danach steckt er die Burg in Brand.
     
    Vor dem verkohlten Monsalvat
    Der Ritter erst die Einsicht hat:
    »Gotts Blitz! Ich hab vor lauter Essen
    Und Schänden glatt den Gral vergessen!«
     
    Wolfram lächelte. Biterolf konnte sich nicht erinnern, je zuvor
auf seinen Lippen ein Lächeln gesehen zu haben. Und Ofterdingens Spottgedicht
auf sein heiliges Epos vom Gral hätte doch eher einen Faustschlag verdient als
ein Lächeln. »Das Pferd heißt nicht Gringulal«, sagte Wolfram nur. »Und
Plippalinot ist keine Frau. Ebenso wenig wie Vergulant.«
    »Ich weiß«, erwiderte Ofterdingen. »Es ist nicht von mir. In
Quedlinburg aufgeschnappt.«
    »Nicht von dir? Es klang sehr danach. Die Vulgarität, die schlichte
Melodie, die steifen Reime …«
    »Du bist ein Hornochse, Wolf«, sagte Ofterdingen schmunzelnd. »Für
den Versuch, mich zu retten, nochmals vielen Dank, aber du bist und bleibst ein
bornierter Hornochse. Dies solltest du wissen, bevor du stirbst.«
    »Solange du nur vor mir stirbst, sterbe ich glücklich.«
    Ofterdingen reichte Wolfram seine Fiedel. »Mit diesen Zänkereien
langweilen wir unsere Gesellschaft nur. Spiel uns ein Lied. Fiedel uns in den
Schlaf, Guter.«
    Wolfram spielte und summte dazu. Manchmal knackte das Feuer im Takt.
Heinrich von Ofterdingen streckte sich wie ein Hund auf dem Teppich aus und war
bald eingeschlafen. Darauf legte Wolfram Fiedel und Bogen nieder. Er bat
Friedrich, der draußen Wache hielt, ihn nach zwei Stunden zu wecken, schlüpfte
dann in seine getrockneten

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