Krieg der Sänger
im
Schlachtgetümmel die Orientierung verlieren, daran zu erinnern, wo der Feind
steht.«
Die anderen Ritter folgten Gerhard Atzes Beispiel, und nacheinander
reichten, ebenso ungezwungen, Eckart, Egenolf und Reinhard Walther die Hand;
all jene Männer, die ihn vor und während des Sängerwettstreits offen verhöhnt
hatten.
Walther nahm Abschied von Bertolt und von seiner Harfe, rüstete
sich mit seinem zweiten Panzerhemd, griff Schwert und Schild und führte die
Thüringer in den Sturm auf den Palas. Der Belagerungsturm war noch nicht
fertiggestellt, wohl aber einige neue Sturmleitern. Der eigentliche Vorstoß
geschah jedoch an der Treppe. Man hatte Wurfanker anfertigen lassen, mit denen
die Brustwehr aus Bänken und Tischen auseinandergerissen werden sollte. Gerhard
Atze und Reinhard von Mühlberg baten darum, beim Angriff im Treppenhaus dabei
sein zu dürfen. Walther hatte an alle die Maxime herausgegeben, Wolfram und
Biterolf, wenn möglich, zu verschonen, hatte aber wenig Hoffnung darauf, dass
man ihr Folge leisten würde. Hermann hatte kurz zuvor verkündet, von nun an
habe jeder Verfechter des Ofterdingers sein Leben verwirkt.
Die neue Taktik hatte Erfolg. Die Wurfanker konnten von den
Verteidigern nicht schnell genug entfernt werden. Bald hatte man die hölzerne
Mauer eingerissen und konnte die Treppe nehmen. Dabei half auch, dass Wolfram
für einige Augenblicke wie versteinert war, als er Walthers Schild in der
Schlachtreihe erkannte. Wolframs Blick brach Walther schier das Herz.
Die Treppe war erobert, aber im schmalen Arkadengang konnten die
Angreifer nur langsam Boden gutmachen. Wolfram allein hielt den Gang gegen die
Übermacht, zumal Walther keinen einzigen Schlag gegen ihn führte. Erst als
Reinhard Walthers Position eingenommen hatte, konnte Wolfram weiter
zurückgedrängt und schließlich der Festsaal erreicht werden. Walther, Reinhard
und zwei Soldaten gelangten in den Raum. Reinhard ging auf Biterolf los, den er
schon im Zweikampf besiegt hatte; die drei anderen auf Heinrich von
Ofterdingen, den Zankapfel des Wartburgkrieges. Agnes fällte einen der drei mit
einem Bolzen. Ofterdingen – der mangels Schild mit einer Bratpfanne parierte,
die am Kamin gelegen hatte – warf Walther, als er ihn erkannte, wüste
Verwünschungen an den Kopf; Walther im Gegenzug drosch blindwütig auf
Ofterdingen ein, der doch die Ursache seines unseligen Dilemmas war. Der
Triumphschrei der Thüringer, den Palas zurückgewonnen zu haben, war allerdings
verfrüht, denn gemeinsam warfen sich nun Wolfram und Friedrich gegen die
Angreifer und drängten sie zurück vor die Türen – womit jenen im Saal der
Rückweg abgeschnitten war.
Reinhard hatte Biterolf bald in eine Ecke gedrängt. Mit einem Schlag
gegen das ungeschützte Knie holte er Biterolf von den Beinen. Biterolf verlor
sein Schwert und kroch rücklings davon. Reinhard hob das Schwert zum letzten
Schlag über seinen Kopf, da traf ihn von hinten eine Klinge und zerschmetterte
die Ringe seines Panzers. Reinhard jaulte auf, fuhr herum und stieß seinem
Angreifer das Schwert in den ungeschützten Bauch. Erst dann erkannte er, dass
er eine Frau getroffen hatte. Erschüttert stierte der junge Thüringer auf
Agnes, die von seiner Klinge glitt.
Mit dem Dolch stürzte sich Biterolf auf Reinhard – jenen Dolch, den
der Landgraf ihm bei seiner Begrüßung überreicht hatte – und stach ihm
blindlings in den Hals und ins Gesicht. Reinhard zappelte und schlug um sich,
um Biterolf abzuschütteln. In ihrer Umklammerung stürzten die beiden zu Boden.
Reinhard biss Biterolf in die Hand. Aber Biterolf musste die Schlagader
erwischt haben. Reinhard röchelte nach Luft und verschluckte sich am eigenen
Blut. Biterolf hielt ihn so lange mit Armen und Beinen umschlungen, bis er sich
nicht mehr rührte.
Auf dem anderen Kampfplatz hatte Wolfram inzwischen Gerhard Atze das
Ohr mit einem Hieb glatt abgeschlagen, worauf der thüringische Sturm vollends
bröckelte. Wolfram und sein Knappe trieben die Angreifer zurück ins
Treppenhaus. Dort lächelte Friedrich seinen Dienstherrn offen an und sprang,
bevor der ihn zurückhalten konnte, die Treppen hinab, um unter den abrückenden
Thüringern noch einigen Schaden anzurichten und Wolfram die Zeit zu geben, den
Schutzwall zumindest notdürftig wieder zu errichten. Wolfram hörte Friedrichs
ausgelassenes Gebrüll, fast schon eine Art Jubel, und das Klirren und Scheppern
von Schwertern und Schilden. Dann wurde es still.
Als Wolfram in den
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