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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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dämmrigen Festsaal zurückkam, standen wie zwei
Statuen inmitten der Leiber Ofterdingen und Biterolf, ihre Rüstungen und
Kleider in Fetzen und Blut, die Schwerter mit ihren Fäusten verwachsen.
Ofterdingen, dessen rechte Seite eine klaffende Wunde zierte, wälzte mit seinem
Stiefel den reglosen Körper Walthers auf den Rücken. Als Wolfram auf ihn
zuhumpelte – sein leichenblasses Gesicht eine einzige Frage –, hob Ofterdingen
lediglich die Bratpfanne in seiner linken Hand. »Der Hund hat mein Schwert
nicht verdient. Aber wenn er den Schlag überlebt, hoffe ich zumindest, dass ihm
die Pfanne das Hirn gründlich zurechtgesetzt hat.«
    Gemeinsam betteten Wolfram und Biterolf Agnes am Feuer. Die Wunde in
ihrem Bauch war tief, blutete aber wenig. Biterolf entkleidete Agnes und
wickelte das Hemd eines Gefallenen um ihren Körper, bis Wunde und Blut nicht
mehr zu sehen waren und man sich einreden konnte, dass alles gut war. Biterolf
legte das letzte Feuerholz auf, bot ihr Wasser an, Speisen und Decken, aber sie
lehnte alles dankend ab und bat lediglich um ein Kissen für ihren Kopf. Dann
schloss sie die Augen und ruhte.
    Biterolf nahm Wolfram zur Seite und regte an, Agnes den Thüringern
zu übergeben, die die Wunde besser versorgen würden. »Hier im Saal stirbt sie
uns am Ende daran.«
    »Ich bin untröstlich, Junge«, flüsterte Wolfram und fuhr sich mit
der Hand über den Kahlkopf. »Wir können sie natürlich gerne ausliefern … aber
ich will ehrlich sein: Nicht einmal der Leibarzt des Kaisers könnte ihr noch
helfen.«
    »Was meint Ihr damit?«
    »Ich habe diese Art von Wunde schon Dutzende Male gesehen. Am Bauch
war nie etwas zu machen. Bald setzen die Schmerzen ein. Morgen, spätestens
übermorgen ist sie tot.«
    Fassungslos über diese Diagnose lief Biterolf einige Runden im Saal.
Dann zog er den blutigen Dolch aus seinem Gürtel.
    »Ich sage, wir schlitzen Walther den Bauch auf. Er hat es nicht
anders verdient.«
    »Bist du übergeschnappt?«
    »Erst verrät er uns, dann greift er gegen uns zum Schwert! Verbluten
soll er dafür wie ein Schwein.«
    »Unser Spatz wird zum Geier!«, rief Ofterdingen. »Bitte, schlitz ihn
auf! Meinen Segen hast du. Aber Vorsicht, vermutlich springen ihm lauter Kröten
und Gewürm aus dem Wanst – ein Sumpf, aber kein Herz!«
    »Rührt ihn an, und ich schlage euch alle beide in Stücke, so helf
mir Gott«, warnte Wolfram und legte eine Hand auf sein Schwert.
    »Ohne Walther würden sie alle noch leben!«, schrie Biterolf.
»Friedrich, Johann, Rumolt, Gregor! Wir zahlen es ihm in gleicher Münze heim!«
    »Er wird seine Gründe gehabt haben, uns an den Landgrafen zu
verraten.«
    »Gründe? Wie Reinmar seine Gründe hatte?«
    »Ganz genau. Niemand ist nur böse oder nur gut. Jedermann ist wie
das Federkleid der Elster: schwarz und weiß gescheckt.«
    »Herrgott, die blöde Elster nun wieder«, stöhnte Ofterdingen. »Aber
bitte: Hören wir, was Walther zu seiner Rechtfertigung zu sagen hat, bevor wir
ihm die Haut abziehen.«
    Mit einem Seil band Ofterdingen Walthers Hände hinter dem Rücken.
Dann nahm er eine Handvoll Schnee von einem der Fenster und rieb sie Walther
ins Gesicht. Prustend erwachte dieser und erkannte, als der Schnee zerflossen
war, die Gesichter der drei Männer.
    »Was war das?«, stöhnte er und kniff die Augen zusammen. »Ein
Rammbock?«
    »Eine Bratpfanne, du Rabenaas«, antwortete Ofterdingen. »Erklär uns,
wie es so weit kommen konnte, Walther, wenn du nicht willst, dass wir dich
zerlegen wie ein Stück Wild.«
    »Ich bin ohnehin überrascht, dass ich noch lebe«, entgegnete Walther – und berichtete dann wahrheitsgemäß alles, was sich seit seinem Gespräch mit
Biterolf zugetragen hatte; wie es dem Landgrafen gelungen war, ihn für seine
Seite zu gewinnen, und wie er Walther zuletzt zum Kampf gegen seine
Sangesbrüder gedungen hatte.
    »Beklag dich nicht«, sagte Ofterdingen. »Du selbst hast dem Teufel
die Hand gereicht. Wer sich mit Hunden schlafen legt, wacht mit Läusen auf.«
    »Und jetzt?«, fragte Wolfram. »Willst du wie Sophia uns davon
überzeugen, die Waffen niederzulegen?«
    »Da wäre vermutlich zwecklos. Ebenso zwecklos wie euer Widerstand
gegen Hermann im Übrigen.«
    »Also?«
    »Ich rate euch zur Flucht.«
    »Flucht?«, fragte Heinrich. »Für wessen Partei bist du eigentlich?«
    »Ich möchte für gar keine Partei mehr sein«, lamentierte Walther.
»Ich bin die Parteien leid. Ich möchte für mich sein und sonst für niemanden.
Ihr

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