Krieg der Sänger
Gliedern,
Knochenbrüchen oder einer Mischung aus allem, dazwischen der vollkommen
überforderte Wundarzt der Wartburg, der vergebens versuchte, allen die
Behandlung zukommen zu lassen, deren sie bedurften. Mägde brachten Wein und
Speck herbei, die Wunden damit auszuwaschen und zu bedecken. Der Landgraf wies
zwei Burschen an, ihm unverzüglich sämtliche Ritter herbeizuschaffen, deren sie
habhaft werden konnten.
Eine Viertelstunde später hatten sich an einem der Zuber Gerhard
Atze, Reinhard von Mühlberg, Egenolf von Bendeleben und Eckart von Wartburg um
den Landgrafen versammelt. Walther trat in Begleitung des Kanzlers hinzu;
argwöhnisch, weswegen man ihn in dieses Lazarett bestellt hatte, in die
Gesellschaft der Verwundeten und der Ritter, die ihn verachteten.
»Da es meinen Rittern nach einem und einem halben Tag nicht gelungen
ist, den Palas zurückzuerobern«, hob Hermann an, »wofür ich ihnen freilich
keinen Vorwurf mache, denn das Haus steht gut gesichert; eine Festung in der
Festung, und Wolfram und die anderen kämpfen wie wilde Eber, wovon die Vielzahl
von Versehrten um uns zeugt – da es also bislang nicht gelungen ist, habe ich
beschlossen, für den nächsten und hoffentlich letzten Angriff, der noch vor
Einbruch der Dunkelheit erfolgen soll, den Heerführer auszuwechseln. Walther
von Vargula wird es mir nicht krummnehmen, denn er quält sich derzeit mit einer
unschönen Wunde, die ihm Wolframs Knappe geschlagen hat. Du, Walther von der
Vogelweide, wirst ihn ersetzen.«
Die umherstehenden Ritter waren überrascht von dieser Anordnung,
aber bei Weitem nicht so überrascht wie Walther, auf den sie nun geschlossen
ihre Blicke richteten. »Das meint Ihr nicht ernst«, stammelte der nur.
»Warum denn nicht? Du bist mein Lehnsmann wie alle anderen hier.
Gedenke, Walther, deines hohen Eides.«
»Euer Hoheit, ich bin schon lange kein Krieger mehr«, entgegnete
Walther, »und ich war nie in meinem Leben ein Heerführer. Ich bin ein einfacher
Sänger. Die Harfe ist mein Schild. Ihr legt das Amt in denkbar falsche Hände.«
»Im Kampf um die Rosen hast du mannhaft den Sieg davongetragen«,
erklärte der Landgraf lächelnd. »Und Akkon hast du gegen Tausende Sarazenen
erobert, nicht wahr? Was ist dagegen ein einfaches Haus mit vier Männern?«
»Von denen einer Wolfram von Eschenbach ist. Verlangt nicht von mir,
dass ich das Schwert gegen meinen Freund führe.«
»Das sollst du auch nicht. Du sollst es einzig und allein gegen
Heinrich von Ofterdingen führen, der die Wurzel allen Übels ist und beileibe
alles andere als dein Freund. Sobald seine elende Seele zur Hölle gefahren ist,
besteht auch für seine Gefährten kein Grund mehr zu kämpfen. Ihr müsst der
Schlange nur den Kopf abschlagen, dann hat diese Posse ein Ende.«
»Nehmt einen anderen«, beharrte Walther. »Ich habe in dieser Sache
schon genug für Euch geleistet.«
»Das zu beurteilen, steht allein mir zu.«
»Euer Hoheit, mein hoher landgräflicher Herr: Lasst mich im Namen
Gottes nicht gegen meine Brüder kämpfen!«
»Du wirst es tun, weil es über dich nicht heißen soll, Walther von
der Vogelweide hätte seinen Lehnseid gebrochen, wäre vor der Schlacht geflohen
und hätte seinen Dienstherrn verraten.« Hermann ließ den Blick in der Runde kreisen.
»Euch Ritter weise ich an, jedem von Walthers Befehlen zu gehorchen und ihm zu
folgen, wohin immer er euch führt. Morgen sind die Zwölf Nächte um, morgen hat
dieser Spuk ein Ende.«
Ohne Walther die Möglichkeit zu lassen, noch einmal zu
widersprechen, verließ der Landgraf das improvisierte Lazarett. Walther wollte
ihm nachsetzen, fand sich aber prompt von den thüringischen Rittern umringt,
die ihn beglückwünschen wollten. Er musste dulden, dass Gerhard Atze ihm die
Pranke auf die Schulter legte.
»An Eurer Seite gegen das verfemte Rattenpack, das sich im Dachstuhl
verkrochen hat!«, feixte der Ritter. »Es ist mir eine Freude, Euch als
Kampfgenosse zu wissen, doch, und ich bin ehrlich froh, dass Ihr in diesem
Krieg die richtige Seite gewählt habt. Ich sage: Vergessen wir Euren Gaul, und
vergessen wir meine Markstücke, und schließen wir Waffenbrüderschaft, Walther
von der Vogelweide!« Atze griff nach Walthers Hand, bevor dieser sie ihm
verwehren konnte. Beim Händedruck konnte Walther die Lücke zwischen den Fingern
seines Gegenübers fühlen. »Ich werde direkt hinter Euch stehen, um Euch den
Rücken zu stärken«, fügte Atze hinzu, »und um Euch, solltet Ihr
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