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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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Scherz mit ihm erlauben.
Einige Tage vorher saß ich in einer weinseligen Runde mit einigen von dem
Gesinde zusammen. Dort haben wir den Plan gesponnen, jeder von uns würde ein
Tier sprechen. Jeder suchte sich eine Rolle, die ihm gefiel … und als Reinmar
seinen Vorsatz tatsächlich wahr machte, zu den Tieren zu gehen, wartete ich,
bis er im Stall eingeschlafen war, um dann meine Mitstreiter zusammenzutrommeln
und auf die Koben zu verteilen. Ich als Einzige war lediglich Zuschauerin, denn
sehen kann Reinmar zwar nicht, aber meine Stimme hätte er gewiss erkannt.«
    »Und er hat nichts von dem Schwindel bemerkt?«
    »Ich wünschte, er hätte es. Ich und alle wünschten, er hätte nicht
mit uns gesprochen.«
    »Was hat er gesagt?«
    Klara schluckte. »Dass er Heinrich von Ofterdingen verkauft hat.
Dass der Landgraf ihn dafür bezahlt hat, dass das Urteil auf den Ofterdinger
fällt. Dass dieser Sängerstreit, dieser ganze Gipfel der Sänger überhaupt nur
ein Vorwand war, Heinrich von Ofterdingen, den der Landgraf hasst, eines
schändlichen Todes sterben zu lassen. Der Schreiber hat es eingefädelt.«
    »Jesus und Maria …«, flüsterte Biterolf und ließ seine Hände sinken.
    »Wir haben uns geschworen, alles für uns zu behalten. Hermann würde
uns die Zungen herausreißen lassen. Reinmar würde vor Scham sterben.«
    »Wer war dabei?«
    »Wir waren zu siebt«, antwortete Klara und zählte die Namen an ihren
Fingern ab: »Judith die Gans, Gregor der Hund, Johanna das Schaf und Elisabeth
die Sau. Der Ganter war Kunz, einer von den Wachleuten. Und Viktor war – und
das hat er hervorragend gemacht – Wolframs Pferd. Ganz und gar von oben herab.«
    »Wolframs Pferd … Ich fasse es nicht.«
    »Um Christi Wunden, bitte verrat mich nicht!«, beschwor sie, warf
sich in seine Arme und legte ihren Kopf auf seine Brust. »Oder warte, bis ich
wieder fort bin und das Schwert endlich gefunden ist und Heinrich geköpft.
Willst du nicht mit mir kommen? Wir gehen irgendwohin, wo die Sonne scheint.
Ich will nicht mehr bei Reinmar sein. Ich habe Angst. Biterolf, was ist mit
Dietrich geschehen? Wer hat das getan? Er mag zwar schwermütig gewesen sein,
wie alle beteuern, aber doch bestimmt nicht so schwermütig, sich in der
Heiligen Nacht in einem Fischteich zu ersäufen.«
    »Ich muss mich setzen.«
    Biterolf nahm auf einer Bank Platz. Sie folgte seinem Beispiel.
    »Soll ich dir noch ein Geheimnis von Reinmar verraten?«, fragte sie
nach einer Weile.
    Biterolf nickte matt.
    »Küss mich, dann sag ich’s dir.«
    Biterolf blinzelte nur. Deshalb nahm sie seinen Kopf in beide Hände
und küsste ihn mit kalten Lippen und geschlossenen Augen.
    »Ich schreibe Reinmars Lieder«, sagte sie dann. »Er kann nicht mehr.
Seit mehr als einem Jahr hat Reinmar kein eigenes Wort und keine eigene Note
mehr verfasst. Schnee auf dem Dach und kein Feuer im Ofen. Reimarm
von Hagenau , weißt du? Es ist alles von mir, und ich mache es so gut,
dass noch niemandem der Unterschied zum alten Reinmar aufgefallen ist. Bei
seinem Vortrag im Saal, das letzte seiner drei Lieder? Das war von mir. Ist das
nicht gut? Sag, dass es gut ist.«
    Bevor Biterolf die gewünschte Antwort geben konnte, betraten drei Männer
die Kapelle: der tugendhafte Schreiber in Begleitung zweier Knechte. Einer der
Männer trug Werkzeug, der andere das gereinigte Steinbild des Christuskindes.
Beim Anblick des Kanzlers sank Klara unmerklich in sich zusammen.
    »Hier treffe ich Euch also, werter Herr Biterolf!«, rief der
Schreiber aus. » Incessanter orare est delicta purgare ,
was? Oder ein Dankgebet? Ich freue mich jedenfalls, Euch wohlauf und in einem
Stück zu sehen, denn es geht die Mär, Ihr wäret uns gestern um ein Haar im Wald
erfroren.«
    »Ich wurde gottlob errettet«, wisperte Biterolf.
    »Um Vergebung, wie bitte?«
    »Er hat keine Stimme mehr«, erklärte Klara.
    »Du warst nicht gefragt«, versetzte der Schreiber streng. »Im
Übrigen sucht dich seit geraumer Zeit dein Herr, vorlautes Ding, und irrt,
einmal mehr, ohne deine Hilfe blind durch die Burg. Cito,
cito! «
    Während sich Klara aus der Kapelle schlich, wies der Schreiber die
beiden Knechte an, sich an ihre Aufgabe zu machen und das geraubte und
missbrauchte Jesuskind wieder mit seiner Mutter zu vereinen. Gestisch bat der
Kanzler Biterolf um Erlaubnis, neben ihm Platz nehmen zu dürfen. »Worüber habt
Ihr gesprochen?«
    Biterolf gab eine tonlose falsche Antwort, worauf der Schreiber
sagte: »Nein, bitte, vertraut es

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