Krieg der Sänger
infiziert.
Vielleicht verwandelte sich Biterolf jetzt in einen Wolfsmenschen. Das würde
das Feuer in Körper und Geist ebenso erklären wie den Verlust der menschlichen
Stimme.
Am liebsten hätte er die Münzen des Kanzlers über die Mauer geworfen
oder wäre zurück in die Kapelle gegangen, um das Blutgeld in den Opferstock zu
geben, aber nun, wo sein waghalsiges Vorhaben feststand, galt es, so wenig
Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Schon jetzt konnte er sich des Gefühls
nicht erwehren, dass die Thüringer im Hof ihn plötzlich mit argwöhnischen Augen
musterten. Alleine würde er gegen die Burg nicht bestehen. Er brauchte
Gefährten: Freunde des Ofterdingers.
In der Vogtei traf er Wolfram und seine beiden Gefolgsleute beim
Packen an. Biterolf bat darum, Wolfram unter vier Augen sprechen zu dürfen.
Sobald sie allein waren, berichtete er ihm, was er von Klara erfahren hatte,
ohne jedoch Klaras Namen zu nennen. Erst während seiner eigenen Erzählung
wurden Biterolf alle Schachzüge dieses teuflischen Komplotts klar: wie es dem
Schreiber am Abend des Banketts gelungen war, Heinrich zu einem Wettstreit auf
Leben und Tod zu verleiten, nachdem er den bestochenen Reinmar erfolgreich als
Schiedsrichter vorgeschlagen hatte. Weshalb der Landgraf, der sich
vordergründig gegen den Wettstreit ausgesprochen hatte, die Durchsetzung des
Urteils mit so viel Eifer vorangetrieben hatte und gleichzeitig die Mörder von
Heinrichs Knappen ungescholten ließ. Und dass der arme Dietrich durchaus nicht
freiwillig in den Tod gegangen war, sondern zweifellos deshalb, weil er von der
Intrige Wind bekommen und Biterolf davon in Kenntnis hatte setzen wollen.
Während sich Biterolf zunehmend in Rage redete, sosehr seine
geschundene Kehle es zuließ, und nicht einmal auf dem Hocker Platz nahm, den
Wolfram ihm angeboten hatte, blieb sein Gegenüber nahezu teilnahmslos sitzen;
von einer wütenden Bremse umschwirrt wie ein fetter wiederkäuender Ochse.
Als Biterolf seine Ausführungen beendet hatte, versetzte Wolfram:
»Du solltest einen Tee aus Salbeiblättern trinken.«
»Salbei?« , krächzte Biterolf. »Das ist
alles, was Euch dazu einfällt?«
»Ich habe immer befürchtet, dass Heinrichs loses Maul ihn einst den
Kopf kosten würde«, seufzte Wolfram. »Entweder das oder der Wein. Oder in einer
Tavernenschlägerei ein irregeleitetes Messer.«
»Wo bleibt Eure Empörung? Ihr wart wie alle anderen nur Köder für
ein niederträchtiges Attentat!«
»Es ist niederträchtig und abstoßend, und die Rachsucht des
Landgrafen widert mich ebenso an wie die Käuflichkeit Reinmars und die
Durchtriebenheit des Schreibers«, entgegnete Wolfram. »Aber was erwartest du
von mir? Dass ich diesen Krug greife und wütend an die Wand werfe?«
»Ich erwarte, dass Ihr vor den Landgrafen zieht, zum Teufel, und ihn
zwingt, dies Todesurteil aufzuheben und Heinrich umgehend aus seinem Kerker zu
befreien, und dass Ihr, sollte Euch Hermann kein Gehör schenken, die Befreiung
selbst auf Euch nehmt! Aber meinetwegen, der Krug an der Wand wäre ein guter
Anfang!«
»Für wie einflussreich hältst du mein Wort bei Hermann? Wenn es
wirklich sein geschworenes Ziel ist, Heinrich um einen Kopf zu kürzen, dann
wird er ihn wohl kaum dank meiner Fürsprache ziehen lassen. Und Heinrich auf
eigene Faust befreien? Unmöglich.«
»Weshalb?«
»Weil die Wartburg eine Festung ist. Sie wurde noch nie bezwungen.«
»Es geht nicht darum, sie zu bezwingen, sondern darum, sie zu
verlassen.«
»Einerlei.«
»Ihr werdet es dennoch versuchen«, sagte Biterolf. »Ihr seid es dem
Ofterdinger schuldig.«
Wolfram lachte bitter auf. »Den Teufel bin ich!«
»Ihr habt einen Eid geleistet. Ihr habt am Abend unseres Streits,
wie die anderen auch, auf Bitte des Landgrafen hin geschworen, Euren
Sangesbrüdern in der Not beizustehen.«
»Wenn man deiner Geschichte glauben darf, war diese Bitte nur ein
Teil von Hermanns Fassade.«
»Aber Euer Eid war es nicht.«
Wolfram schüttelte nur den Kopf.
»Heinrich würde das Gleiche für Euch tun.«
»Heinrich? Dass ich nicht lache!«
»Ich verstehe«, zischte Biterolf. »Im Grunde gönnt Ihr Heinrich, der einmal Euer innigster Freund war, dieses Los. Auch Ihr
wünscht ihm den Tod, deshalb passt Euch das Komplott des Landgrafen. Nur fehlt
Euch der Mut zum Zusehen, weshalb Ihr vorzeitig das Weite sucht.«
»Unfug.«
»Ich weiß, was in Passau vorgefallen ist. Dass Euch Heinrich die
Liebste ausgespannt hat und dass er den Nibelungen
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