Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krieg oder Frieden / Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens

Krieg oder Frieden / Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens

Titel: Krieg oder Frieden / Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hamed Abdel-Samad
Vom Netzwerk:
Führung des Landes, sondern das Monitoring der politischen Prozesse sein«, sagt sie lächelnd. Am Tag bevor Israa mit mir redete, saß sie mit der US -Außenministerin Hilary Clinton zusammen, die in Kairo zu Besuch war. Clinton fragte, was die Jugend der Revolution von Amerika erwartet. Israa antwortete: »Transparenz. Mehr wollen wir nicht.«
    Israa weiß genau zwischen westlichen Politikern und westlicher Bevölkerung zu unterscheiden. »Wir alle spürten, dass die Bevölkerung in Europa und Amerika mit unserer Revolution sympathisierte. Als Mubarak das Internet lahmlegte, stellten uns westliche Internetaktivisten alternative Internetverbindungen zur Verfügung, damit wir weiter miteinander kommunizieren konnten. Als wir etwas auf Twitter posten wollten, schickten wir ihnen dies per Fax, und sie taten den Rest. Neben mir demonstrierte auf dem Tahrir-Platz eine deutsche Lehrerin, die in Ägypten Deutsch unterrichtet. Sie öffnete ihre Wohnung am Tahrir-Platz für uns. Dort haben wir gegessen und geschlafen. Wir nannten ihre Wohnung das Hauptquartier der Revolution. Sie litt mit uns und freute sich mit uns.« Israa wünscht sich von der eigenen Führung und den westlichen Regierungen, dass sie sich mehr Mühe geben, die Bevölkerung auf beiden Seiten einander näherzubringen, statt die gegenseitigen Feindbilder zu instrumentalisieren.
    Als die Revolution in Ägypten ausbrach, dachte ich, dies sei die Revolution einer Generation, die nichts zu verlieren habe. Das war eine falsche Annahme. Denn viele Frauen, die ich auf dem Tahrir-Platz kennenlernte oder deren Geschichten ich las, hatten viel zu verlieren und sind trotzdem auf die Straße gegangen, um für ihre Freiheit zu kämpfen.
    Heba ist 30 Jahre alt, verheiratet und hat ein siebenjähriges Kind. Sie arbeitete bis zum 27. Januar als Redakteurin im staatlichen Fernsehen. Sie war verantwortlich für eine beliebte Talksendung namens »Sprich zu Ägypten«. Sie kündigte ihren Job, als sie Anweisungen bekam, in ihrer Sendung gefälschte Diskussionen zu präsentieren, um die Jugend der Revolution als Saboteure und ausländische Agenten zu diffamieren. Ihr Vater ist ein pensionierter Polizeigeneral und hatte mit Heba großen Ärger, als sie 2007 einen kritischen Bericht über das Innenministerium in einer Oppositionszeitung veröffentlichte. Damals wurde sie verhaftet und kam nur durch die Beziehungen ihres Vaters wieder frei. Am 28. Januar lernte ich Heba kennen, als sie sich um verletzte Demonstranten kümmerte. Während ihr Bruder, der ebenfalls Polizist ist, im Einsatz gegen die Demonstranten Mubarak verteidigte, kämpfte seine Schwester auf der anderen Seite, um das Regime zu stürzen. Der Vater saß an diesem Tag zu Hause und machte sich Sorgen um beide Kinder.
    Die Geschichte der zwanzigjährigen Studentin Ayat al-Gormezi ist ein Beispiel für die Willkür der Macht in der arabischen Welt. Nachdem Ayat bei einer Demonstration in Bahrain ein Gedicht gegen König Hamad Ben Eissa vorgetragen hatte, wurde sie verhaftet und vor ein Militärgericht gestellt. Noch Monate nach ihrem Verschwinden wusste ihre Familie nicht, wo sie war. Ein ähnliches Schicksal erfuhr die saudische Aktivistin Manal al-Sharif, als sie sich dem im Königreich verhängten Fahrverbot für Frauen widersetzte und den 17. Juni zu dem Tag erklärte, an dem saudische Frauen im Auto vom Rücksitz auf den Fahrersitz wechseln sollten.
    Als Reaktion auf die Verhaftung von Manal und Ayat schrieb die saudische Dichterin und Journalistin Mariam Abdullah auf ihrem Blog:
    »Ich werde die Friedfertigkeit aus meinen Träumen heute Nacht verbannen.
    Ich werde Gaddafi erhängen und Assad zu Tode verdursten lassen.
    Ich werde Saleh mit einem jemenitischen Dolch köpfen und Bin Eissa von Bahrain als Futter für die Haie ins Arabische Meer werfen.
    In meinen Träumen werde ich jenen Mann geißeln, dessen Namen ich laut des neuen Mediengesetzes nicht nennen darf, und werde ihn in ein Wüstengefängnis werfen neben seine fünfzigtausend politischen Gefangenen.
    Erst dann kann ich zu einem Morgen erwachen, der für ein Leben taugt.
    Erst dann können wir die Betten unserer Kinder vor dem Tod schützen und mit ihnen endlich erwachsen werden.«
    Achtzehn Tage war der Tahrir-Platz liebevoll zu Frauen und Männern zugleich, kein Fall von Diebstahl, keine Beschwerde über sexuelle Belästigung. Es war in der Tat eine Utopie, die nicht lange existieren konnte, aber sie wird immer als Erinnerung daran bleiben, wozu die

Weitere Kostenlose Bücher